Der nächste Abschnitt führt uns durch das Wairaki River Tal bis nach Te Anau. Hier gilt es den bisher höchsten Punkt der Wanderung zu überschreiten. Was wir dabei noch nicht ahnen ist, dass uns ein Zyklon dabei im Nacken sitzt. Es wird also nass, so richtig nass.
7. Tag: Vom Wald auf die Farm – Merrivale bis Birchwood Station
24,6 km / 6,75h / 733hm
Am Morgen bekommen wir schnell einen Hitch zurück zum Trail. Von der Straße geht es hinunter auf den Island Bush Track, der durch Kiefernwald führt. Dampfend steigt die Feuchtigkeit von letzter Nacht vom Weg auf. Hier liegen riesenhafte Kiefernzapfen herum wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Hinaus aus dem Wald gehen wir durch Farmland und hinein in den Woodlaw Forest, der uns ein paar Höhenmeter abverlangt. Zuerst wandern wir auf schmalen Pfaden durch den Wald bis wir eine Forststraße durch bewirtschafteten Wald erreichen. Hier treffen wir auf einen anderen NOBO Hiker, der jedoch bereits sein Zelt an einer Kreuzung aufgeschlagen hat.
Wir erreichen die Straße auf der anderen Seite, die uns auf den letzten Kilometern bis zur Birchwood Station führt, wo wir die Nacht verbringen wollen. Diese Straße zieht sich allerdings noch ordentlich an verschiedenen Farmen vorbei und meine Füße schmerzen. Schließlich erreichen wir endlich die große Birchwood Station und müssen nun noch an Pferdeweiden vorbei zu der kleinen Hütte ganz weit hinten, die für die TA Walker hergerichtet wurde. Heute sind wir die einzigen Gäste und haben so alles für uns.
Wir trocknen das Zelt von der letzten regnerischen Nacht auf der Veranda und genießen die Sonne. Eine Küche versorgt uns mit Koch- und Sitzgelegenheiten. Es könnte nicht besser sein. Meine Beine tun jedoch ordentlich weh. Vor allem wenn ich länger sitze werden sie steif und ich laufe dann wie eine uralte Frau durch die Gegend. Wann wird das endlich besser?
8. Tag: In das Wairaki Flusstal – Birchwood Station bis Telford Burn Campsite
30km / 9h / 1.287hm
Der heutige Weg ist deutlich länger als gedacht, denn auf dem Schild und in den von mir verwendeten Trailnotes stehen nur 19km, was wir nur zu gerne glauben. Auf der Mitte wird uns klar, dass das nicht so ganz hinhauen kann. Spätestens als uns einer entgegen kommt, der noch von drei weiteren Stunden spricht. Also nochmal das gleiche was wir schon hinter uns haben.
Der Weg, der uns gestern so lang in die Farm hinein vorkam ist dieses Mal ein Katzensprung. Wir gehen ein Stück Straße entlang und zur Struan Flat Road, wo der nächste Abschnitt beginnt. Ziemlich schnell geht es in Farmlandschaft über und wir gehen in stetigem Auf und Ab über kilometerweite Schafsweiden und Rübenfelder. Als wir so 700hm und 15km in den Füßen haben bekommt uns besagter Wanderer entgegen. Wir geben also nochmal Gas. Uns weht ein starker Wind entgegen, der uns teilweise fast umweht, was immerhin den Vorteil hat, dass wir nicht schwitzen müssen.
Bald geht es dann steil hinab in ein wunderschönes Tal, durch das sich ein Fluss zwischen Berglandschaft hindurchschlängelt. Unten folgen wir dem Flussufer, wo ebenfalls wieder ein Haufen Schafe auf uns wartet. Kurz darauf folgt unsere erste ernsthafte Flussdurchquerung. Dabei behalten wir unsere Schuhe an, denn im Flussbett liegen viele Steine und die Strömung ist nicht zu unterschätzen. Meine sind eh schon nass, da ich vorher in irgendeine Pfütze gepatscht bin. Diese Erfrischung tut den Füßen erstaunlicherweise ziemlich gut und für die nächsten Kilometer kann ich schmerzfrei gehen. Daraufhin führt uns der Weg in die Berge hinein und ein paar Höhenmeter warten auf uns. Warum der Weg nun in den Bergen entlang führt und nicht einfach am Flussufer weiter bleibt mir unbegreiflich. Zwischendurch verlieren wir auch den Weg, kommen aber trotzdem dorthin wo der offizielle Weg wieder kreuzt.
Nun kommen wir wieder hinunter zum Fluss und müssen ihn wieder zurück auf die ursprüngliche Seite queren. Meine Schuhe sind zwar inzwischen getrocknet, aber wer freut sich nicht über ein erfrischendes Fußbad? Am Anfangsflussufer geht es nun also weiter durch Schafsherden hindurch einem Weg folgend, der auch immer mal wieder gerne mit kleinen Anstiegen aufwartet. Nach ein paar Bäumchen erreichen wir den Zeltplatz, wo schon einige Zelte stehen und Leute dick eingepackt zu Abend essen.
Es windet stark und es gibt nicht allzu viel Schutz hier und wir stellen unser Zelt zu den anderen in eine kleine Senke. Kurz darauf finden wir heraus warum die Leute alle so dick eingepackt sind, denn offenbar gehört dieses Fleckchen Erde den Sandfliegen. Allzu gemütlich gestaltet sich das Ende dieses langen Tages also nicht, aber immerhin flaut der Wind ab. Allerdings regnet es in der Nacht sehr stark, weshalb wir das Zelt am nächsten Morgen nass einpacken müssen.
9. Tag: Der erste Pass – Telford Burn Campsite bis 5km vor Aparima Hut
23km / 7,75h / 1.276hm
Eigentlich haben wir heute mit nur 8km zur Lower Wairiki Hut nur eine kurze Etappe geplant. Hinter unserem Zeltplatz geht es mächtig steil über einen Wiesenhang hinauf. Serpentinen sind hier leider unbekannt, weshalb es einfach gerade hoch geht. Wie immer am Morgen sind meine Wadeln noch nicht gedehnt und das zieht ordentlich bei steilen Aufstiegen. Deutlich weiter oben können wir den noch vor uns liegenden Anstieg ausmachen und gehen davon aus, dass es sich um den Hügel handelt der vor uns liegt und nicht etwa um den dahinter und deutlich höher gelegenen Gipfel dahinter. Tatsächlich ist es dann doch der felsige Gipfel dahinter auf den wir extrem steil über loses Geröll und blanke Felsen kraxeln müssen. Die ein oder andere Stelle ist auch durchaus ausgesetzt, weshalb ich mir nicht vorstellen möchte diesen Weg hinab gehen zu müssen. Der höchste Punkt liegt dann auf 1.026hm.
Wir gelangen zu einem Sattel und stehen plötzlich im Wald. Diese gesamte Seite ist komplett bewaldet während die von der wir kamen ziemlich alpin ist. Verrückt. Bis zur Hütte geht es nun ziemlich angenehm durch den Wald hinab, wo wir nach 3,5h ankommen. Zwischendurch teilen uns SOBOS mit, dass die Hütte mal wieder voll ist. Unterhalb der Hütte gibt es eine Wiese am Flussufer, wo wir unser Zelt aufschlagen wollen. Allerdings behagt uns die Aussicht nicht als erstes am nächsten Morgen über den Fluss gehen müssen und damit sofort nasse Füße bekommen. Also haben wir die Idee heute noch rüberzugehen und irgendwo auf der anderen Seite einen Zeltplatz zu finden. Dies stellt sich jedoch als schwierig heraus, denn außer dichtem Wald gibt es hier nichts.
Auf dem Weg werden meine Füße nicht nur erneut nass, sondern auch extrem matschig. Wie wir wieder mal feststellen kommen wir im Wald nur sehr langsam voran. Mehr als 2,5 km/h sind nicht drin. Ich falle bestimmt vier oder fünf Mal hin, weil ich ausrutsche. Das Highlight ist aber als ich über meine eigenen Füße, Wanderstöcke, Wurzeln und Löcher stolpere und mit dem Hintern voran direkt in ein Annika-großes Loch purzel. So stecke ich dann mit meinem Hintern und meinem Rucksack in diesem Loch wie ein Käfer und ich kriege mich vor Lachen kaum noch ein. Es dauert eine Weile bis ich aufhören kann zu lachen und mir von Bengt helfen lassen kann mich aus dem Loch zu befreien.
Der Wald scheint kein Ende zu nehmen und nach etwa vier Stunden finden wir zumindest einen Waldrand und eine Wiese, die wir zu unserer erklären. Das Zelt ist von letzter Nacht noch komplett durchnässt und riecht nach nassem Hund. Außerdem stelle ich fest, dass ich eine große Blase an meinem kleinen Zeh habe, die so aussieht als hätte mein Zeh ein Hütchen auf. Die größte Blase, die ich je gesehen habe, findet sich jedoch an Bengts Fuß. Unvorstellbar wie der Mann überhaupt noch laufen kann. Während das Zelt vor sich hin trocknet machen wir Abendessen und erfreuen uns an bereits vergessenen Würstchen, die Bengt aus seinem Rucksack zaubert.
10. Tag: Ein nasser Tag – 5km vor Aparima Hut bis Lower Princhester Hut
22,5km / 8,5h / 1.000hm
Mal wieder ein ungeplant langer Tag. Nachts hat es wieder geregnet und alles ist entsprechend nass. Wir gehen die restlichen Kilometer bis zur Aparima Hut durch den bekannten Wald, was sich wie immer ganz schön zieht. Die letzten Kilometer führen durch sumpfiges Tussockgras. Eine rudimentäre Hängebrücke führt uns über den Aparima River zur Aparima Hütte.
Hier mache ich den Fehler und ziehe mir die Schuhe aus, aber nicht die nassen Socken woraufhin mir schrecklich kalt wird. Ich verkrieche mich in meinem Schlafsack um mich zu wärmen, Bengt schürt den Ofen an und ich trinke Tee. Inzwischen kommen zwei NOBOs in die Hütte, eine Französin und ein Deutscher, und wir erblassen vor Neid als diese ihren Käse und ihr Brot auspacken. Sie erzählen uns, dass sie gestern Pizza gemacht haben. Essen sei ihr sehr wichtig, deshalb gönnen sie sich das. Naja, mir ist essen auch wichtig, aber nicht zu dem Preis deutlich mehr an Gewicht zu schleppen. Sie sind entsetzt als wir ihnen erzählen, dass wir mittags nur ein paar Riegel futtern. Inzwischen ist mir aber immerhin wieder warm. Kurz nachdem die beiden aufgebrochen sind, starten auch wir wieder hinaus in den Regen. Wir wollen so weit wie möglich Richtung Lower Princhester Hut kommen.
Direkt hinter der Hütte beginnt wieder das Tussockgras und diesmal ist es sehr hoch und extrem nass. Nicht nur das Gras selber ist nass, sondern auch der Boden darunter. Und von oben kommt der Regen. Ich habe auf die Regenhose verzichtet was sich ziemlich schnell als schlechte Entscheidung heraus stellt. Bald bin ich bis zur Hüfte nass. Das Gras ist deutlich höher als vorher und das Gelände noch sumpfiger, wenn das überhaupt möglich ist. Wenn wir länger stehen bleiben, wird uns sofort kalt, denn ist zapfig hier draußen geworden.
Wir marschieren so schnell wie wir können durch das hohe Gras. An trockene Füße denken wir schon lange nicht mehr, denn heute gibt es keine Chance auf trockene Füße. Wir gehen durch einen Sumpf, der ab und zu ganz schön tiefe Matschlöcher hat, die wir aber zum Glück meiden können. Ich sinke maximal knietief ein. Wir haben schon Geschichten gehört, dass Leute bis zur Hüfte im Matsch versunken sind.
Wald- und Grasgelände wechseln sich ab. Im vorletzten Waldstück treffen wir wieder auf die zwei NOBOs, die gerade Pause machen und glauben bald die Hütte zu erreichen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es noch ein paar Stunden dauern wird, da es von nun an durch unwegsamen Wald geht. Wir gehen die ganze Zeit ohne Pausen durch, weil es einfach zu kalt und zu ungemütlich für Pausen ist. Ich bleibe nur einmal stehen um mir die Regenjacke anzuziehen und ein Snickers zu vertilgen.
Die letzten zwei Kilometer durch den Wald sind arg und wir brauchen über eine Stunde dafür. Der Wald will einfach kein Ende nehmen und ich habe den Glauben an eine Hütte schon verloren. Es geht die ganze Zeit hoch und runter, dazu ist der Weg sehr schmierig vom Regen und ich rutsche die ganze Zeit aus. Überall liegen Bäume unter denen wir hindurch kriechen oder über die wir steigen müssen. Zeitweise befindet sich ein steiler Abhang neben uns, der teilweise auch bereits abgerutscht ist. Dadurch kommen wir extrem langsam voran. Zwischendurch gibt es mal wieder nicht die geringste Möglichkeit zu zelten. Im Gras ist es zu sumpfig, im Wald kein Platz. So richtig nach zelten ist auch keinem von uns, denn das Zelt ist noch immer nass von vorheriger Nacht.
Gegen 20 Uhr erreichen wir endlich, tatsächlich die Lower Princhester Hut. Und das Beste: Sie hat noch Platz für uns, worauf ich wirklich nicht zu hoffen gewagt hätte. Die erste Hütte, die Platz für uns hat, und das an dem Tag an dem wir es bisher am dringendsten gebraucht haben. Wir sind so glücklich. Zudem heute Nacht auch der seit Wochen angekündigte Zyklon Gita durchrauschen wird, wovon wir aber noch nichts wissen.
Wir entledigen uns unserer nassen Sachen und wärmen uns am Feuer. Ich besitze nichts, was nicht zumindestens feucht geworden ist. Außer uns sind noch drei andere in der Hütte, darunter der NOBO, dem wir bereits zuvor begegnet sind. Nachdem essen geht es uns wie immer schon wieder besser. Während wir essen kommen die anderen zwei, die wir vorhin überholt haben, an. In der Nacht regnet es noch heftig und scheint kein Ende nehmen zu wollen.
11. Tag: Zurück in die Zivilisation – Lower Princhester Hut bis zur Straße nach Te Anau (SH 94)
6km / 1,25h
Am nächsten Morgen regnet es noch immer. Wir stellen fest, dass die Flüsse über Nacht nicht nur angeschwollen sind, sondern sogar über ihre Ufer getreten sind. Es sind nur sechs Kilometer zur Straße, die aber einfach über eine Schotterstraße zu begehen sind. Allerdings sehen wir von der Straße nicht sehr viel, denn der kleine Bach, der eigentlich gemütlich dort entlang fließt, hat die Straße komplett bedeckt. Dazu wälzt er noch ein paar Schlammmassen aus dem Wald mit sich. Mit trockenen Füßen ist also auch heute nicht viel los. Heute trage ich aber immerhin eine Regenhose. Die Schäfchen am Straßenrand sehen auch ganz bedröppelt aus wie sie da patschnass stehen.
An der Straße hoffen wir darauf, dass uns schnell jemand mit nach Te Anau mitnimmt. Normalerweise warten wir so 20 Minuten bis ein Auto anhält, aber 20 Minuten in der Kälte und Nässe sind 20 Minuten zuviel. Mir werden richtig die Hände kalt als ich den Daumen am Straßenrand raushalte. Wir beschließen also ein Stück in Richtung Te Anau zu gehen, weil uns sonst einfach zu kalt wird. Tatsächlich dauert es dann nicht lange bis jemand sich unser erbarmt und uns mitnimmt. Eine Dame von der Touristeninformation. Wir sind ihr so dankbar endlich im trockenen Auto sitzen zu können. Sie bringt uns zum Campingplatz in Te Anau, wo zur Zeit alles ausgebucht ist.
Wir stiefeln zuerst in den Trockenraum und trocknen uns und unsere gesamte Ausrüstung. In einer Regenpause stellen wir das Zelt auf, das mittlerweile wenigstens von innen trocken ist. In einer weiteren Regenpause gehen wir in die Stadt um zu futtern. Normalerweise steh ich gar nicht so auf Burger und Fast Food, aber auf dieser Wanderung kann ich mir nichts besseres vorstellen als diese Burger Stops.
Wir stellen hier auch fest, dass der Zyklon Schnee nach Queenstown gebracht hat und einige Touristen dadurch stecken geblieben sind. Da haben wir ja echt nochmal Glück gehabt.
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