Sonnenuntergang in Colorado

CDT: Der Wechsel nach Colorado – Rawlins bis Steamboat Springs

Wir lassen die Weite des Great Basins hinter uns und wandern nach Colorado, wo wir Staub und Hitze gegen Wälder, Berge und kühlere Luft eintauschen. Der Wechsel fühlt sich geradezu transformierend an – von der Monotonie des Wüstenwanderns zu den Herausforderungen und der Schönheit der vor uns liegenden Berge. Jeder Kilometer bringt neue Landschaften und neue Gefühle: Freude über unerwartete Trail Magic, aber auch das Gewicht persönlicher Kämpfe. Colorado erwartet uns mit härteren Anstiegen, aber auch mit größeren Belohnungen.

CDT Tag 70 – Abschied von der Wüste und zurück im Wald

10 km / 517 hm / 2h

In Rawlins gönnen wir uns ein letztes ausgedehntes Mittagessen und einen Spaziergang durch die überraschend charmante Innenstadt. Wir haben genug von der Wüste. Staubige Wege und unerbittliche Hitze sind längst nicht mehr willkommen, und die Wahl zwischen einem schlechten Trail oder einem 58-Kilometer-langen Road Walk erleichtern uns die Entscheidung – wir überspringen beides. Warum sich über schlechte Wege quälen, wenn Colorado auf uns wartet? Nach Tagen voller Staub, Hitze und endloser Straßen in der Great Divide Basin sehnen wir uns nach kühlerer Luft und grünem Schatten.

Das Hitchen zieht sich, doch irgendwann klappt es – wir tauschen Asphalt und Wüste gegen den ersten echten Wald seit langem. Plötzlich stehen da wieder Birken und Kiefern um uns herum. Wir atmen tief ein. Wie sehr uns das gefehlt hat, merken wir erst jetzt. Wir laufen in den Sonnenuntergang hinein und finden einen Zeltplatz mit Sternenhimmelblick. Nach nur wenigen Tagen im Basin fühlt sich es fast magisch an, wieder von Bäumen umgeben einzuschlafen.

CDT Tag 71 – The Trail Provides

44 km / 1.700 hm / 9,5 h

Am Morgen glänzen Spinnweben im Sonnenlicht, die Fichten wiegen sich leise im Wind. Es tut gut, wieder durch kühlere Wälder zu wandern. Der Trail führt uns über sanfte Anstiege, vorbei an kleinen Quellen und durch goldene Wiesen.

Eine kurze Kraxelei über Geröll bringt uns zu einem Funkturm, von dem aus wir einen weiten Blick auf das von Bergen umringte Tal unter uns haben. Der Wind ist hier oben stark, also ziehen wir uns in die Bäume zurück, um in der Sonne Mittag zu essen und ein kurzes Nickerchen zu machen.

An einer Straße überrascht uns der Trail einmal mehr: Neben einem Wasser-Cache finden wir eine fast volle Gaskartusche – unser eigener Vorrat war fast aufgebraucht. Perfektes Timing. Mit leichtem Gepäck und vollen Wasserflaschen geht es weiter. Je näher wir Colorado kommen, desto mehr Bäche und saftig grüne Wiesen säumen unseren Weg. Wir laufen bis tief in die goldene Stunde hinein und genießen noch einmal ein Cowboycamp unter einem leuchtenden Sternenhimmel.

CDT Tag 72 – Ankunft in Colorado

38 km / 1.350 hm / 8,5 h

Die Nacht bringt den ersten Frost – ein Zeichen, dass wir uns in höhere Lagen vorarbeiten. Schon am Vormittag erreichen wir die Grenze zu Colorado. Ich habe mich lange auf diesen Moment gefreut, doch die Emotion bleibt leise. Vielleicht liegt es an der Müdigkeit der vergangenen Tage.

Der Tag bleibt fordernd: steile Forststraßen, endlose Anstiege. Doch zwischendurch gibt es Trail Magic, Kühlboxen mit eiskalten Getränken – ein kleines Wunder mitten im Nirgendwo. Gleichzeitig erreichen mich von zuhause schlechte Nachrichten, die meine Gedanken überschatten. Mit Musik und einer langen Umarmung finde ich langsam wieder zurück ins Hier und Jetzt.

CDT Tag 73 – Hitze, Höhe und unser erster Gipfel in Colorado

41,4 km / 1.500 hm / 9,5 h

Ein frostiger Morgen weicht schnell brennender Mittagshitze. Die Temperaturunterschiede sind extrem. Wir arbeiten uns auf den Lost Ranger Peak hoch – der erste Gipfel in Colorado. Der letzte Anstieg kostet Kraft, aber der Blick vom 3.636-m-hohen Gipfel belohnt jede Anstrengung.

Abends sind wir komplett ausgelaugt. Ich merke, wie die Kombination aus Höhe und persönlichen Sorgen an meinen Reserven zehrt. Dennoch: Beim Abendessen am See unter dem Licht der untergehenden Sonne kehrt Ruhe ein.

CDT Tag 74 – Ein schweres Herz und schmerzende Füße

32,7 km / 580 hm / 8 h

Heute will es einfach nicht laufen. Mein Körper ist müde, mein Fuß schmerzt, und in Gedanken kreise ich um die Situation Zuhause. Jeder Kilometer fühlt sich an wie ein Kampf. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, nach Steamboat Springs zu hitchen, um meinem Fuß eine Pause zu gönnen. Doch ich beiße mich durch – wenigstens bis zum Fishhook Lake, wo wir unser Lager am ruhigen Wasser aufschlagen. Nach nur 32 Kilometern beschließen wir, es für heute gut sein zu lassen. Ein stiller Abend, der hilft, den Tag abzuschließen.

CDT Tag 75 – Ausruhen und Schlemmen in Steamboat Springs

8,3 km / 120 hm / 1,5 h

Am Morgen sind es nur noch wenige entspannte Kilometer bis zur Straße. Dort haben wir großes Glück: Eine Einheimische nimmt uns mit nach Steamboat Springs, bietet uns sogar spontan Dusche und Wäsche in ihrem Haus an. Ein Geschenk, das wir dankbar annehmen.

Steamboat Springs begrüßt uns mit viel Charme – eine lebendige kleine Stadt. Wir gönnen uns gutes Essen und einen Zero-Day, um meinem Fuß Pause zu gönnen und die Sorgen im Kopf etwas zu sortieren. Steamboat Springs ist ein guter Ort für einen Zero – es gibt viel zu tun und zu entdecken. Aber der Druck, Colorado bis Ende September zu verlassen, um nicht vom ersten Schnee eingeholt zu werden, macht die Entscheidung schwer. Ich muss abwägen: Kämpfe ich mich durch und riskiere damit fatale Verletzungen, oder genehmige ich mir eine Pause und laufe damit Gefahr, später in Zeitprobleme zu geraten? Ich versuche, vernünftig zu bleiben – das Hier und Jetzt zählt mehr als mögliche Probleme in der Zukunft.

Herausforderungen & Höhepunkte des Abschnitts

Herausforderungen:

Schmerzen im Fuß, Hitze, Höhe und mentale Erschöpfung treffen auf emotionale Belastung durch persönliche Sorgen.

Höhepunkte:
Trail Magic, Übergang nach Colorado, der erste Colorado-Gipfel und Gastfreundschaft in Steamboat Springs.

Lektion:
Grenzen sind nicht nur geografisch – sie verlaufen auch durch Körper, Kopf und Herz. Manchmal muss man sich zurückziehen, um weitergehen zu können. Manchmal ist das Beste nicht mehr zu tun, sondern weniger.

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Die Weltwanderin

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Annika

Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeutet Wandern für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt.

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