Geschafft! Nach 142 Tagen auf dem Trail erreichen wir den südlichen Terminus des CDT

CDT: Die letzten Schritte – Silver City bis zur mexikanischen Grenze

Nach fünfeinhalb Monaten voller Herausforderungen, Triumphe und der unvermeidlichen Strapazen eines Thru-Hikes liegt das letzte Stück des CDT vor uns. Unser Weg zur mexikanischen Grenze ist fast vollendet, nur noch wenige Kilometer trennen uns vom Ziel. Doch die Belohnung ist nicht allein das Erreichen des Ziels, sondern die Geschichte, die in jedem einzelnen Moment dieser Reise gewoben wurde. Dieses letzte Stück steht für die stillen, nachdenklichen Augenblicke auf dem Trail, für die Aufregung beim Erreichen des Terminus und für die bittersüßen Gefühle, die das Ende eines solchen Abenteuers mit sich bringt.

CDT Tag 135 – Verlassen von Silver City

21,3 km / 550 hm / 5 h

Nur noch 250 Kilometer bis zur mexikanischen Grenze. Es fühlt sich surreal an, dass ich vielleicht endlich einmal einen kompletten Thru-Hike in einer Saison beende, nachdem ich den TA aufteilen musste und auf dem PCT kurz vor dem Ende von Feuern aufgehalten wurde.

Wir verlassen Silver City auf dem Highway, doch Lärm, rasende Autos und der fehlende Seitenstreifen überfordern mich schnell. Im Straßengraben zu laufen, fühlt sich gefährlich an und macht mich nervös. Nach einer Stunde beschließen wir, die verbleibenden 16 Kilometer zu hitchen. Es ist es nicht wert, unser Leben für einen Road Walk zu riskieren.

Schließlich nimmt uns Jäger Frank in seinem Truck mit. Neben zwei Gewehren sitzend fühle ich mich unwohl – Waffen sind mir so fremd. Doch Frank ist freundlich und teilt sein selbstgemachtes Deer Jerky, als er uns absetzt.

Zurück auf einer Schotterstraße füllen wir unsere Flaschen an einem überraschend klaren Wassertank und genießen die Sandwiches aus Silver City. Dann wandern wir durch ein sandiges Flussbett, das sich zwischen beeindruckenden Felsen, Kakteen und Eichen hindurchschlängelt.

Hirsche mit ungewöhnlich flauschigen weißen Hintern springen vor uns davon, die mich an die besonders buschigen Eichhörnchen erinnern, die wir in New Mexico gesehen haben. Die Landschaft macht die eher trostlosen Städte New Mexicos wieder wett: hohe Berge und sanfte grüne Hügel leuchten im goldenen Abendlicht.

CDT Tag 136 – Die letzten Male

32 km / 1.125 hm / 7,5 h

Am Morgen zeigt sich Eis an den Zeltwänden, und wir sind nicht sehr motiviert, die Wärme unserer Schlafsäcke zu verlassen.

Doch sobald die Sonne uns erreicht, fühlt sich der Tag gleich besser an. Wir stapfen über sandige Pfade und bewundern gelegentlich Kakteen. Für unsere Mittagspause haben wir den Campground am Burro Mountain Homestead im Blick, wo es angeblich Softdrinks geben soll. Um eine Meile abzukürzen, versuchen wir es querfeldein, bereuen es aber schnell: Zäune und stachelige Pflanzen machen uns das Leben schwer. Die Wüste ist voll von stacheligem Zeug, jedes mit seiner eigenen Art, uns zu plagen. Die großen, schwarzen, „Cat’s Claws“ genannt, hängen sich an meine Leggings und Socken, sodass ich wie ein Igel aussehe. Dann sind da noch Kakteenstacheln, die berüchtigten „Goatheads“ von den Steppenläufern und irgendwelche pieksigen Grassamen – alle gierig darauf, sich irgendwo an uns festzusetzen.

Leider erweist sich der Laden des Campgrounds geschlossen. Also heute keine Coke für uns. Das Verlangen nach prickelnden Softdrinks ist auf Thru-Hikes wirklich erstaunlich stark. Wir machen Pause im Activity Center, genießen Wärme, Wasser und die Annehmlichkeiten, während draußen Rehe unbeirrt umherstreifen und großes Interesse an unseren Rucksäcken vermelden.

Am Nachmittag folgt der Aufstieg auf den Burro Mountain, den letzten hohen Punkt des CDT. Vereiste Stellen erfordern vorsichtige Schritte, doch der Gipfel belohnt uns mit atemberaubenden Ausblicken auf golden leuchtende Hügel und Ebenen. Diese ganzen „letzten Male“ lasten auf mir: der letzte Berg, der letzte Zero Day, der letzte Vollmond, der letzte Town Stop. Mexiko ist nur noch 190 Kilometer entfernt.

Noch vor Einbruch der Dunkelheit finden wir einen geschützten Lagerplatz. Es gibt keinen Grund mehr zur Eile, und bei Tageslicht ist ein guter Platz viel leichter gefunden. Der Wind heult, doch wir schlafen gut. Wir müssen lediglich darauf achten, beim nächtlichen Austreten nicht in den Kaktus neben dem Zelt zu treten.

CDT Tag 137 – Nur noch 100 Meilen

37,8 km / 530 hm / 8 h

Der Tag empfängt uns mit Wärme, eine willkommene Abwechslung nach der jüngsten morgendlichen Kälte. Beim Abstieg vom Burro Mountain genießen wir wunderschöne Ausblicke, bevor wir eine Wassercache erreichen, neben dem wir Gatorades finden, die Nana Man hier kürzlich hinterlassen hat. Ein süßer Trost dafür, dass wir gestern auf die ersehnte Limo verzichten mussten.

Unter heißer Sonne nehmen wir den letzten Anstieg vor Lordsburg in Angriff, endlich wieder in Shorts und T-Shirt. Gestern habe ich die Gelegenheit zum Duschen ausgelassen – ein Entschluss, den ich mit zunehmendem Schweiß bereue. Am höchsten Punkt bilden weißlich-quarzartige Steine eine Art Kristallthron, auf dem wir rasten und die Aussicht genießen.

Dann geht es bergab, vorbei am 100-Meilen-Marker – nur noch 100 Meilen bis zur Grenze nach fünfeinhalb Monaten auf dem Trail. Mein Körper fühlt sich seit Colorado erstaunlich erholt, während Ryan müde wirkt. Gemischte Gefühle steigen in mir auf: Ich sehne mich nach einer Pause, fürchte aber zugleich das Ende.

An der letzten Wasserquelle warnen Kommentare in FarOut, dass kürzlich ein totes Stinktier aus dem Tank entfernt wurde. Zögernd, aber schließlich resigniert, fülle ich dennoch auf, unserem Wasserfilter vertrauend. Der Trail führt weiter durch sandige Pfade in einer baumlosen Wüste, gesprenkelt mit vereinzelten Sträuchern und Kakteen. Der Sonnenuntergang färbt den Himmel blutrot, während wir auf die flackernden Lichter von Lordsburg zuwandern. In der Dämmerung hüpft eine Antilope durch die Wüste.

Als der Trail im Dunkeln schwer zu finden wird, schlagen wir unser Zelt auf. Nur noch 16 km bis Lordsburg – unserem letzten Town Stop, geplant als schneller Hero.

CDT Tag 138 – Ein Hero durch Lordsburg

26,2 km / 210 hm / 5,5 h

Wir starten den Tag mit der Suche nach spärlich gesetzten CDT-Markierungen und dem kaum zu erkennenden Pfad. Was auf FarOut als Tor markiert ist, erweist sich als Stacheldrahtzaun, unter dem es hindurchzukriechen gilt. Das macht uns umso dankbarer für die 52 neuen Tore, die kürzlich von CDTC-Freiwilligen installiert wurden. Sie erleichtern und sichern diese Durchgänge enorm.

Es folgt ein Highway-Marsch nach Lordsburg: Der Straßenrand voller Müll, doch immerhin gibt es einen breiten Seitenstreifen, und Musik im Ohr macht den Straßenlärm erträglich. Gegen 10:30 Uhr stehen wir vor den Läden der Stadt für einen Resupply, da das Postamt am Veteran’s Day geschlossen ist und unser Paket somit heute nicht abholbar ist. Unsere Essensausbeute ist wenig inspirierend – Ramen Bombs und Couscous –, aber wir werden nicht verhungern.

Ein Zwischenstopp bei McDonald’s führt uns wieder mit Randi zusammen, der gerade seinen CDT Thru-Hike beendet hat. In seinem Motelzimmer können wir duschen und unsere Powerbanks aufladen, außerdem treffen wir weitere frischgebackene CDT-Finisher wie Chef, Triple T und andere. Es ist herzerwärmend, ihren Triumph mitzufeiern. In einem mexikanischen Restaurant genießen wir Pozole und Burritos, deren Reste wir für heute Abend einpacken.

Während wir Lordsburg hinter uns lassen, schenkt uns die Wüste einen unvergesslichen Sonnenuntergang: feurige Wolken in allen Farben, ein wahrer Zauber New Mexicos, das sie „Land of Enchantment“ nennen. Der warme Abend erlaubt es uns außerhalb des Zelts zu speisen – mit Venus und Vollmond als Gästen.

CDT Tag 139 – Trail? Welcher Trail?

36 km / 290 hm / 7,5 h

Der Tag beginnt früh unter einem Himmel voller Sterne. Wir erleben einen der letzten Sonnenaufgänge auf dem CDT, während die Landschaft sich in echte Wüste verwandelt. Nichts weiter als Sand, Felsen, Kakteen und Sträucher. Die Sonne steigt rasch empor und macht die Hitze unerbittlich. Es ist Mitte November, aber hier unten im Süden spielt das keine Rolle. Ich kann mir kaum vorstellen, wie heiß es hier für die NOBOs im April sein muss.

Der Trail wird zunehmend schwer zu finden, mit weit voneinander entfernten CDT-Markierungen und immer wieder verschwindenden Pfaden. Selbst während wir offensichtlichen Fußspuren folgen, spielt der Weg oft ein frustrierendes Versteckspiel mit uns. Eine Mittagspause an einer Wasserquelle bringt etwas Erholung, und eine leichte Brise kühlt uns ab.

Langsam wird der Trail etwas leichter erkennbar, dank spärlicher Vegetation und dadurch klar sichtbarer Markierungen. Das Gelände flacht ab, wird windiger, und ferne Berge zeichnen sich am Horizont ab.

Doch präsent zu bleiben, fällt mir schwer. Gedanken an das Leben nach dem CDT schleichen sich ein, und der ungewohnte Mobilfunkempfang erleichtert es nicht. Die Traurigkeit über das nahende Ende färbt jeden Moment bittersüß. Ein Teil von mir möchte einfach hier draußenbleiben und eine verwilderte Wüstenfrau werden und mein eigenes FarOut-Icon bekommen. Zurückzukehren in das sogenannte normale Leben wirkt wenig verlockend. Aber vielleicht ist es wie beim Thru-Hike: Ich setze einfach einen Fuß vor den anderen, und am Ende bin ich tausende Kilometer von Kanada bis Mexiko gelaufen. Ich schalte mein Handy in den Flugmodus und schaue dem Sonnenuntergang zu.

In der Dämmerung erreichen wir einen Wassercache und entscheiden uns, angesichts des starken Winds, für ein letztes Cowboycamp. Wir beenden den Tag, wie er begonnen hat – unter dem Sternenhimmel.

CDT Tag 140 – Nebel im Kopf und die letzte Side Quest

36,2 km / 410 hm / 8,5 h

Ein frostiger Morgen empfängt uns, während wir zu einem kleinen Sattel aufsteigen, die Grate der umgebenden Berge von bizarren Felsformationen gesäumt. Heute fühle ich mich müde, apathisch und leer. Setzt die Post-Trail-Depression etwa schon ein? Oder ist es einfach die Überwältigung der gemischten Gefühle über das baldige Ende dieses Abenteuers? Liebes Gehirn, wir haben noch zwei Tage vor uns. Bitte bleib im Hier und Jetzt und verschiebe das Ungleichgewicht auf später. Danke.

Am Nachmittag machen wir einen Abstecher nach Old Hachita, einer verlassenen Minensiedlung. Die Ruinen erzählen stumm von Geschichte, aber ohne Erklärungen.

Am Abend schlagen wir unser Zelt unter einem Baum auf, im Licht eines fast vollen Mondes, dessen helles Leuchten Schatten wirft.

CDT Tag 141 – Die letzte Trail Magic

39,5 km / 490 hm / 8,5 h

Heute ist es einfacher, da wir größtenteils einer Schotterstraße folgen. Wir treffen Mad Viking, einen NOBO auf einem Section Hike, dessen Beine blutig zerkratzt sind. Er sagt, dass der Trail nur schwer zu finden und mit dornigen Büschen überwachsen ist.

Damit steht fest: Wir nehmen die Umgehung über die Dirt Road. Meine Beine sind zwar schon zerkratzt von den vorherigen „Trail“-Stücken, aber längst nicht so blutig wie seine. „Ein letztes Mal leiden“ spare ich mir. Mittags Ramen essen zu müssen, ist Leiden genug.

Abgesehen von Mad Viking haben wir seit Lordsburg, also seit drei Tagen, niemanden mehr gesehen. Es ist schön, zwischen den „Bubbles“ zu sein. So kann ich den Moment an der Grenze allein erleben und vollständig verarbeiten, ohne die Ablenkungen sozialer Interaktion.

Der Road Walk ist monoton, hat aber einen riesigen Pluspunkt: Trail Magic! Zwei Autos voller gerade vom Terminus zurückkehrender Thru-Hiker mit strahlenden Gesichtern halten an und teilen Getränke und Snacks mit uns.

Wir folgen einem mondbeschienenen Flussbett zu einem großen Baum, der in FarOut sogar sein eigenes Symbol hat. Ein deutliches Zeichen, wie selten Bäume geworden sind. Der letzte ordentliche Baum war der, unter dem wir letzte Nacht gezeltet haben.

Wir schlagen unser Zelt zum allerletzten Mal auf, direkt unter diesem Baum und dem Vollmond. Und endlich kommt die Brotzeitplatte zusammen, von der ich schon so lange träume: Käse, Cherrytomaten und die Trauben, die wir gerade von der Trail Magic bekommen haben – ein perfekter kleiner Appetizer. Das Hauptgericht ist unser geliebter Shepherd’s Pie, den wir uns gezielt für diesen Anlass aufgehoben haben. Zikaden singen, während das Mondlicht durchs Zelt fällt und die Äste des Baumes in Schatten zeichnet. Eine magische letzte Nacht.

CDT Tag 142 – Der Terminus

20,2 km / 110 hm / 4,5 h

Ich schlafe kaum, wache immer wieder auf, um die Uhrzeit zu prüfen. Aufregung pulsiert durch meine Adern. Bei Morgengrauen wecke ich Ryan, und wir erleben einen letzten Sonnenaufgang auf dem Trail. Ein letztes Mal bauen wir unser Zelt ab, packen unsere Rucksäcke und kosten jeden Schritt aus.

Nach einem sanften Anstieg geht es nur noch bergab bis nach Mexiko. Vor uns öffnet sich die Wüste: felsige Gebirgsketten, dunstige Ebenen und Wüstenflora, bestehend aus Kakteen, Yuccas und Sträuchern. Ich nehme jedes Detail in mich auf – Ameisen, Vögel, Steine in allen Formen. Ich schwanke zwischen Ankommen und Nie-aufhören-wollen. Glücklich und traurig zugleich.

Fußspuren im Sand lassen mich an all jene denken, die vor uns diesen Weg gegangen sind. Manche haben wir kennengelernt, tausende andere nicht. Versunken in Gedanken verlaufen wir uns noch ein letztes Mal.

Mein Herz schlägt schneller, die Vorfreude baut sich auf wie bei einem Kind an Weihnachten. Noch ein kleiner Hügel und dann sehen wir den Pavillon und das Monument am südlichen Ende des CDT. Ich versuche, in diesen letzten Schritten präsent zu bleiben, schaue auf die Steine um mich, auf jeden Busch, auf den Vogelschwarm, der gerade vor uns auffliegt, atme zum Takt meiner Schritte im Sand.

Und dann, am 15. November um 11:59 Uhr, berühre ich das Monument am Terminus, während mir Tränen übers Gesicht laufen. Nach fünfeinhalb Monaten haben wir es geschafft und den CDT in einer Saison durchwandert. Gestartet am 6. Juni mit den ersten Hikern und beendet am 15. November als eine der Letzten, halten Ryan und ich vielleicht den Titel „längste Zeit auf dem Trail“. Das ist genau die Art von Sieg, die ich will.

142 Tage Wandern, 4.119 km. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass wir es wirklich geschafft haben. Mit einer Knochennekrose im linken Fuß sagten mir die Ärzte in Deutschland, ich solle einfach mit dem Wandern aufhören. Scheiß auf sie.

Herausforderungen & Höhepunkte des Abschnitts

Herausforderungen:
Die Mischung aus Freude, Traurigkeit und Anspannung zu verarbeiten.

Höhepunkte:
Die letzten Wüstensonnenuntergänge und das Gefühl, es geschafft zu haben.

Lektion:
Vielleicht ist das Leben wie ein Thru-Hike. Ich setze einfach nur einen Fuß vor den anderen, und am Ende erreiche ich den Gipfel eines Berges oder beende eine Wanderung von Kanada nach Mexiko.

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Die Weltwanderin

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Annika

Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeutet Wandern für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt.

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