CDT: Gila River, der letzte Härtetest des CDT – Pie Town bis Silver City

Was als windiger Aufbruch aus Pie Town beginnt, bei dem uns Steppenläufer über den Trail jagen, verwandelt sich bald in einen Spießrutenlauf aus Herausforderungen. Eiskalte Morgen, Stürme und der Gila River. Dies ist die Abschlussprüfung des CDT, die nicht nur Ausdauer fordert, sondern auch Anpassungsfähigkeit, eine neue Perspektive und die Bereitschaft, die Reise anzunehmen, ganz gleich, was sie bereithält. 

CDT Tag 126 – Steppenläufer und knirschende Luft

22,8 km / 760 hm / 4,5 h

Uns erwarten weitere 64 Kilometer Schotterstraßen. Für heute gibt es eine Sturmwarnung, und schon am Morgen bläst uns der Wind eisig entgegen.

Während die meisten im Toaster House einen Zero einlegen, um dem Wind zu entgehen, suchen wir nach Ruhe und machen uns auf den Weg. Aber bevor wir aufbrechen, gönnen wir uns Kirschkuchen, frisch aus dem Ofen – das Warten hat sich gelohnt!

Eingepackt in Leggings, Fleecejacke mit Kapuze, Sonnenbrille und Buff vor Mund und Nase, bin ich bereit für die Herausforderung. Der Wind stellt sich als nicht so schlimm wie erwartet heraus. Klar, gelegentlich bläst uns eine Staubwolke ins Gesicht, die zwischen unseren Zähnen knirscht, aber es gibt genug Bäume am Straßenrand, die uns vor dem Schlimmsten bewahren. Zahlreiche Steppenläufer hüpfen über die Straße, wie Statisten in einem Westernfilm.

Nach 22 Kilometern erreichen wir die Davila Ranch. Dort genießen wir bereitgestellte Kartoffeln, die wir auf einem Gasherd kochen. Ich bin eine glückliche Deutsche. Ehrlich, Kartoffeln sind mein absolutes Comfort Food, ich könnte mein Leben lang nichts anderes essen.

CDT Tag 127 – Gefroren

43 km / 890 hm / 9 h

Unsere bisher kälteste Nacht mit Temperaturen bis –4 °C hinterlässt alles gefroren, inklusive des Wassers in einem Eimer unter dem Wasserhahn. Erst gegen 10 Uhr wird es beim Aufstieg auf den Mangas Mountain ein wenig wärmer. Für die kommende Nacht hat 9 Lives uns eingeladen, bei einem ihrer YouTube-Abonnenten die Nacht zu verbringen, und so finden wir Zuflucht vor der klirrenden Kälte der nächsten Nacht.

Tonya, Ray und ihr Hund Fasha holen uns mit ihrem umgebauten Schulbus ab und bringen uns zu ihrem Haus. Es ist ein interessantes, historisches Gebäude, voller gusseiserner Pfannen, einem alten Holzofen und gemütlicher Strickdecken. Zum Abendessen verwöhnen sie uns mit einer kräftigen Mahlzeit, die tatsächlich vier hungrige Hiker satt macht, was keine leichte Aufgabe ist.

CDT Tag 128 – Zwischenstopp in Reserve und eine Nachtwanderung im Wald

12 km / 415 hm / 2,5 h

Tonya bereitet uns ein großes Frühstück zu, und anschließend zeigt uns Ray seine Werkstatt, in der er seine maßgefertigten Bögen baut. Dabei lerne ich, dass es „Bowfishing“ gibt, also Fische mit Pfeil und Bogen zu schießen. Ich hatte keine Ahnung! Offenbar ist das gar nicht einfach, da das Wasser optische Verzerrungen verursacht und man viel Erfahrung benötigt.

Ray führt uns über das restliche Grundstück, das ebenso gut ein Museum sein könnte. So viele historische Stücke, darunter Tierschädel, Pferdegeschirr und eine alte Schmiede. Draußen schüttelt der Wind die großen, bunten Eichen, deren Blätter durch die klare Morgenluft tanzen.

Nach einem kurzen Resupply in Reserve kehren wir auf den CDT zurück, denn wir wollen dem vorhergesagten Schnee im Gila River entkommen. Wir wandern noch ein Stück in die Nacht hinein und schlagen unser Lager auf halber Höhe eines Anstiegs auf.

CDT Tag 129 – Auf dem Weg zum Gila River

43,9 km / 1.065 hm / 10 h

Der Tag beginnt mit einer frostigen Erinnerung daran, dass der Winter naht. Wir nehmen die Govina-Canyon-Alternative, einen eher schlecht instandgehaltenen Trail, mit dem wir etwas Zeit und Höhenmeter sparen. Eine versteckte Quelle entlang des Weges unterbricht die erwarteten 35 Kilometer bis zur nächsten Wasserquelle. Ein zermürbender Aufstieg durch dornige Brandgebiete setzt unserer Kleidung zu, belohnt uns aber mit Sonnenuntergangsfarben in Rosa und Violett. Mit nur noch 418 Kilometern bis zur mexikanischen Grenze graut mir bereits vor dem Ende des Trails, während wir auf endlosen Straßen in die Nacht hineinwandern.

CDT Tag 130 – Einführung in das Gila River Abenteuer

41,8 km / 380 hm / 9,5 h

Heute betreten wir den Gila River, der anfangs als zahmer Bach zwischen hohen Felswänden dahinfließt. Bei den ersten 40 Querungen bleiben meine Füße größtenteils trocken – bis ich ausgerechnet bei der allerletzten vor dem Camp mit einem Fuß ins Wasser rutsche. Ein Biber, den wir am Abend im Wasser erspähen, ist ein echter Höhepunkt, doch mein nasser Schuh lässt mich schon an einen frostigen Morgen denken. Wir kommen gut voran, legen fast 42 km zurück, um möglichst vor dem morgigen Schnee aus dem Fluss heraus zu sein, und freuen uns auf die heißen Quellen bei Doc Campbell’s.

CDT Tag 131 – Über den Dingen stehen

36,4 km / 640 hm / 9 h

Heute wird der Fluss tiefer, und nasse Querungen sind nicht mehr zu vermeiden. Sealskin-Socken bieten nur begrenzte Erleichterung, denn nach etwa 20 Überquerungen sind auch sie durchweicht und das eiskalte Wasser betäubt unsere Füße. Die hohen Canyonwände, die den Gila River umschließen, Höhlen und in Herbstfarben leuchtende Eichen bilden eine atemberaubende Kulisse.

Plötzlich riechen wir Rauch und entdecken beim Näherkommen qualmende Überreste eines frischen Brands. Rauchschwaden steigen in unheimlichen Wolken aus der Asche und den verkohlten Bäumen auf. Wir gehen vorsichtig weiter, darauf bedacht, die Asche und die noch qualmenden Stellen zu meiden. Ich bin froh, dass dieses Feuer lokal begrenzt blieb. Der letzte Ort, an dem ich in einen Waldbrand stecken möchte, ist der Grund eines Canyons.

In Erwartung noch tieferer Querungen und schlechter werdenden Wetters, entscheiden wir uns für die High Route und steigen aus dem Canyon hinauf. Die Wahl zahlt sich aus: warme Sonne, trockene Schuhe und grandiose Ausblicke, bevor Regen und Kälte einsetzen. Bei Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Gila Cliff Dwellings und richten uns ein, während der Regen stärker wird.

CDT Tag 132 – Stopover bei Doc Campbell’s

20,8 km / 200 hm / 5 h

Nach einer regnerischen Nacht besichtigen wir am nächsten Morgen die Gila Cliff Dwellings bei ihrer Öffnung um 9 Uhr. Perfekt zeitlich abgestimmt, denn das Wetter klart gerade auf. Vor 700 Jahren lebten hier die Mogollon, eine frühe indigene Kultur Nordamerikas, und der Anblick der Höhlen erinnert mich an eine Mini-Version der Felsenstadt Petra in Jordanien. Auf dem Weg dorthin entdecken wir eine Familie von Javelinas, die wie Miniatur-Wildschweine aussehen, tatsächlich aber zu den Nabelschweinen zählen und damit nicht mit ihnen verwandt sind.

Ein Road Walk führt uns weiter zu Doc Campbell’s, wo wir pünktlich zur Öffnung am Mittag ankommen, uns mit Resupply versorgen und Leckereien verputzen: gefrorene Burritos, Burger, Butterscotch-Eis und Cream Soda. Der Wetterbericht sagt Regen und Schnee voraus, also verzichten wir schweren Herzens auf die Hot Springs und ziehen weiter, in der Hoffnung, Silver City vor dem Wetterumschwung zu erreichen.

Zurück am Gila River machen wir uns bereit für die nächsten Querungen. Sie sind zwar zahlreich und schneller als die vorherigen, aber deutlich flacher. Ein feuriger Sonnenuntergang geht in Dunkelheit über, während wir uns mühsam orientieren, durch Wasser waten und niedrigen Ästen ausweichen. Schließlich schlagen wir unser Zelt auf und wärmen unsere kalten Füße in den Schlafsäcken. Wir hoffen, dass unsere Schuhe über Nacht nicht gefrieren.

Zum Abendessen gibt es Chili Mac, begleitet vom merkwürdig klingenden Gluckern des Flusses. Wir haben nur noch 17 Kilometern im Gila River vor uns, aber der Trail verspricht Bushwhacking und schwierige Navigation. Das macht uns sehr unsicher darüber, wie lange wir dafür benötigen werden.

CDT Tag 133 – Gefrorene Socken und Schuhe

32,3 km / 1.040 hm / 8,5 h

Der Tag beginnt eiskalt: Eis auf dem Zelt, gefrorene Socken und Schuhe, die wir mit heißem Wasser auftauen. Bei den unzähligen Flussquerungen beißt das kalte Wasser in unsere Füße, doch allmählich bringt die Sonne Erleichterung. Surreal ist der Anblick von frostüberzogenen Kakteen neben dem glitzernden Fluss. Aber dann erreicht uns die Sonne und sie ändert alles. Auch wenn das Gras um uns herum noch gefroren ist, heben ihre wärmenden Strahlen sofort unsere Stimmung.

Am Ende genießen wir unsere Zeit im Gila River sogar. Was für ein schöner Abschluss dieses strapaziösen Abenteuers: mit einem Lächeln und Dankbarkeit all dies erleben zu dürfen – das Gute und das Schlechte.

Während ich durch das Wasser wate und von Sträuchern geohrfeigt werde, denke ich darüber nach, wie real das hier alles ist. Kaltes Wasser, warme Sonne und die Erde unter unseren Füßen – so viel wirklicher als alle gesellschaftlichen Konstrukte. Die Wanderung wird zu einer Reflexion über das Leben selbst. Thru-Hiking ist nicht immer spaßig, aber zweifellos lebendig und echt.

Die letzten Kilometer fordern unsere Geduld heraus, mit dichtem Gestrüpp und verwirrenden Wegen. Im Zweifel laufen wir einfach durch den Fluss. Wir bleiben weitgehend unversehrt, abgesehen von ein paar stachligen Anhängseln und gelegentlichem Peitschen und Kratzern der Büsche.

Der Aufstieg aus dem Canyon ist lang, aber nicht schwer, und ich genieße das Gefühl trockener Füße. Je höher wir steigen, desto kälter wird es wieder. Schneereste des jüngsten Sturms glitzern im Licht unserer Stirnlampen und herabgefallene, leuchtend rote Blätter bilden einen starken Kontrast im weißen Schnee unter unseren Füßen. Wir wandern weiter in die Nacht hinein und freuen uns über die schneefreien Abwärtspassagen, die ansonsten sehr rutschig werden könnten. Schließlich verliert sich der Trail zwischen umgestürzten Bäumen und wir entscheiden uns, den Tag zu beenden. Wir feiern das Ende des Gila-River-Kapitels mit Spaghetti und einem Mudslide-Dessert.

CDT Tag 134 – Ein Labyrinth nach Silver City

21,3 km / 550 hm / 5,5 h

Der Tag beginnt mit Verwirrung: Wir verlaufen uns und kämpfen uns durch steiles Gestrüpp zurück zum Trail. Die Linie auf der Karte ist nicht viel mehr als eine Idee, die mit der Realität wenig zu tun hat. Eine Yucca-Pflanze sticht mir ins Bein, später falle ich sogar rücklings in den Schlamm und hole mir nasse Füße. Dazu die Nachrichten über die Ergebnisse der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl. Heute ist nicht mein Tag.

In Silver City legen wir einen Zero ein. Unser letzter war in Ghost Ranch, was bedeutet, dass wir in New Mexico nur zwei Zeros eingelegt haben. Wir wollten den Triple-Zero in Pagosa Springs wieder ausgleichen. Wir streifen durch kleine Läden, treffen die Buchhandlungskatze Pudge und genießen die Hippie-Vibes der Stadt.

Meine Pläne, in der Bibliothek an meinen Artikeln zu arbeiten, weichen dem Bedürfnis nach Ruhe, als sich eine Katze schnurrend auf meiner Brust niederlässt. Wir haben sie Pretzel getauft, weil sie eine meiner heruntergefallenen Salzbrezeln gegessen hat, was meiner Meinung nach gegen das kulinarische Protokoll für Katzen verstößt. Den Abend verbringen wir mit Katzenkuscheln, Kochen und einem Film. Eine dringend benötigte mentale Pause, bevor wir uns auf den Endspurt zur Grenze begeben.

Herausforderungen & Höhepunkte des Abschnitts

Herausforderungen:
Über 100 eiskalte Flussüberquerungen im Gila River und gefrorene Schuhe am Morgen.

Höhepunkte:
Das warme Zuhause von Trail Angels Tonya und Ray und die Landschaft im Gila River.

Lektion:
Auch wenn es hart ist, liegt in all dem eine tiefe Ehrlichkeit und Lebendigkeit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Vielleicht gefällt dir auch

Suche

Die Weltwanderin

Bild von Annika
Annika

Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeutet Wandern für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt.

Beliebte Beiträge