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CDT: Hallo New Mexico – Chama bis Ghost Ranch

Der Übergang nach New Mexico markiert das letzte Kapitel des CDT, aber schnell wird klar: Dieser Bundesstaat macht es uns nicht leicht. Der Abschnitt von Chama bis Ghost Ranch ist eine Achterbahnfahrt. Unerwartete Krankheiten, atemberaubende Landschaften und das bittersüße Gefühl, dass das Ende zum Greifen nah ist. Doch eine wunderschöne Belohnung wartet auf uns: ein roter Canyon im Licht der untergehenden Sonne, steile Klippen mit Blick auf die weite Wüstenlandschaft und der Zauber von Ghost Ranch.

CDT Tag 110 – Die Fahrt mit dem Hogwarts-Express

26,8 km / 800 hm / 6 h

Heute Morgen nehmen wir die Eisenbahn zurück zum Cumbres Pass und fahren durch goldene Espenhaine. Es fühlt sich an wie eine Reise nach Hogwarts, während wir dem Stampfen der Kolben und dem Rattern der Schienen lauschen und uns der Ruß in die Augen weht. Ursprünglich diente die Bahn ab 1880 dem Transport aus den Silberminen, wurde aber bis 1969 größtenteils stillgelegt. Übrig blieb ein rund 100 km langer Abschnitt, der heute New Mexico und Colorado gemeinsam gehört. Der Zug erklimmt den auf 3.050 m gelegenen Cumbres Pass, den höchsten Pass des Landes, der jemals von einer Dampfeisenbahn befahren wurde.

Zusammen mit dem kanadischen Paar Shovel und Ready brechen wir auf. Der Grenzübertritt nach New Mexico ist ein leiser Meilenstein, da wir uns ja bereits in Chama befanden. Vier Bundesstaaten liegen hinter uns, einer noch vor uns. Der schwierigste Teil des CDT ist geschafft, von hier an soll alles einfacher werden: leichteres Terrain, geringere Höhe, weniger Höhenmeter.

Wir wandern auf einer staubigen Piste, während die Sonne untergeht. Die letzte Meile ist steinig und mühsam, ich stolpere im Dunkeln vor mich hin. Zwischen dem sozialen Austausch und dem Wandern habe ich das Trinken vernachlässigt. Als wir am Camp ankommen, bin ich völlig erschöpft, mein Magen rebelliert schon wieder, und meine soziale Batterie ist leer. Ich sehne mich nur noch nach Ruhe.

CDT Tag 111 – Eine kosmische Enttäuschung

40,3 km / 710 hm / 9 h

Wir starten früh und sehen die Sonne aufgehen, während wir zehn Kilometer auf einer ruhigen Schotterstraße wandern, dann durchqueren wir einen Wald. Wir kommen am Lagunitas-Campground vorbei. Im Jahr 2015 suchte Thru-Hiker Otter hier während eines brutalen Wintersturms Schutz in einem Plumpsklo, in der Hoffnung auf Rettung, die jedoch nie kam.

Der CDT windet sich entlang einer Klippe, von der wir auf einen kleinen Fluss und einige goldene Espen blicken, deren Blätter nun rasch fallen. Die „Stick Season“ beginnt. Mittagspause machen wir an der letzten guten Wasserquelle für 19 Kilometer. Es ist Zeit, sich mental auf schlammige Tümpel und Kuhtränken vorzubereiten. Willkommen in New Mexico.

Wir nehmen den einzigen größeren Anstieg des Tages in Angriff. Es fühlt sich tröstlich an, zu wissen, dass die Höhenmeter langsam abnehmen. Es ist, als würde uns der Trail nach harter Anstrengung eine Auslaufphase gönnen. Unsere Körper sind müde, und wir sind dankbar dafür. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir einen See, auf dem friedlich Enten und Gänse treiben, während die Sonne hinter Wolken verschwindet. Ich bin enttäuscht, dass ausgerechnet heute Wolken die Sicht auf den Kometen verdecken, der sich am westlichen Horizont befinden soll und nur alle 80.000 Jahre sichtbar ist. Auch das verpasste Polarlicht vor ein paar Tagen spukt mir noch im Kopf herum.

Wir laufen weiter bis zu einem leeren Campground und lassen uns an einem Picknicktisch nieder, als auch Ready, Shovel und Dragon dazustoßen. Wir haben 40 km geschafft, unser längster Tag seit Langem. New Mexicos sanfteres Gelände macht es uns möglich.

CDT Tag 112 – Der Trail schlägt zurück

35 km / 850 hm / 8 h

Am nächsten Tag geht es weiter durch den Wald, vorbei an einem in den Fels gehauenen Ikarus-Schrein. Wir erreichen heute nicht unser Tagesziel, denn mich trifft eine schmerzhafte Blasenentzündung. Zum Glück stoßen wir auf eine Wasserquelle, was ein echter Segen ist, da ich viel trinken muss. Wir beschließen, unser Zelt direkt hier aufzuschlagen.

CDT Tag 113 – Abstieg in die Wüste und nach Ghost Ranch

46,5 km / 420 hm / 11 h

Wir setzen unseren Weg Richtung Ghost Ranch fort. Wir folgen vorwiegend Schotterpisten mit verwirrenden Abzweigungen und unerwarteten Umwegen. Eine Abkürzung entpuppt sich als Irrweg und führt uns über Zäune, vorbei an Kühen und durch dichte Büsche. Unsere Beine sind danach völlig zerkratzt.

Nach 20 km erreichen wir die Ghost-Ranch-Alternate und nehmen die verbleibenden 26 km in Angriff. Beim Abstieg in einen Canyon im Licht der untergehenden Sonne, umgeben von roten Felsen, bremsen steile, steinige Pfade unser Tempo. Die letzten fünf Kilometer ziehen sich fast zwei Stunden. Schließlich erreichen wir den Wüstenboden, der uns mit weichem Sand und stacheligen Kakteen empfängt. Es fühlt sich das erste Mal wirklich wie New Mexico an.

Um 19 Uhr erreichen wir Ghost Ranch. Ich habe starke Schmerzen, meine Oberschenkel wollen mich kaum noch aufrecht halten. Vermutlich handelt es sich um eine Muskelzerrung. Ich sinke auf den Zeltplatz, nehme Elektrolyte und hoffe auf Linderung bis zum Morgen. Inzwischen kann ich nicht einmal mehr aufstehen, ich kann nur noch kriechen, was sehr beängstigend ist. Solche starken Muskelschmerzen, die selbst grundlegende Bewegungen unmöglich machen, habe ich noch nie erlebt. Ich vermute, es könnte ein Elektrolytproblem sein, da ich gestern wegen meiner Blasenentzündung viele Liter Wasser getrunken habe.

Am nächsten Tag kann ich zu meiner Erleichterung wieder gehen. Zwar unter Schmerzen, aber immerhin. Wir nehmen uns einen Ruhetag, um zu regenerieren und Ghost Ranch zu genießen: Mahlzeiten vom Buffet, eine Bibliothek, ein Labyrinth, ein Dinosaurier-Museum und eine reiche Geschichte. Umgeben von roten Klippen hat dieser Ort etwas Magisches. Kein Wunder, dass Georgia O’Keeffe sich in diese Landschaft verliebt hat. Wir verbringen den Tag mit Ausruhen, Erkunden und Genießen. Ghost Ranch ist eine wahre Oase.

Herausforderungen & Höhepunkte des Abschnitts

Herausforderungen:
Magenprobleme, Blasenentzündung und eine schmerzhafte Muskelzerrung.

Höhepunkte:
Die Fahrt mit der historischen Dampfeisenbahn zum Cumbres Pass, das Überqueren der Staatsgrenze nach New Mexico und Pause in Ghost Ranch, einem Ort, der Heilung auf allen Ebenen verspricht.

Lektion:
Manchmal ist es notwendig, auf den eigenen Körper zu hören. Anhalten, essen, atmen. Der Trail führt nicht nur über Berge, sondern manchmal auch durch Museen, Speisesäle und Labyrinthe.

Hier geht’s zum nächsten Abschnitt auf dem CDT:

CDT: Stürme, Schnee und Erlösung – Ghost Ranch bis Cuba

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Die Weltwanderin

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Annika

Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeutet Wandern für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt.

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