Die Etappe von Salida nach Creede bietet eine Mischung aus exponierten Graten und ruhigen Waldpfaden und bringt uns den San Juan Mountains immer näher. Von einer gemütlichen Hütte über Trail Magic bis hin zur wilden Schönheit von Elchbegegnungen und goldenen Espen – jeder Schritt fühlt sich an wie ein Fest der herbstlichen Pracht.
CDT Tag 94 – Hüttenzauber
17,3 km / 370 hm / 4 h
Wir sind zurück auf dem CDT – unter blauem Himmel und schneebestäubten Gipfeln. Auf unserem Weg liegen nur noch ein paar Schneereste vom letzten Sturm. Wir erreichen einen Grat mit Blick auf majestätische Berge, bevor der Pfad in den Wald abfällt. Dort entdecken wir eine gemütliche Hütte. Sie ist mit einem Ofen, Feuerholz und drei Feldbetten ausgestattet. Mit Mäusen ist zu rechnen, aber wir hängen unser Essen vorsorglich an Nägeln auf. Inmitten eines Schneesturms wäre die Hütte die perfekte Zuflucht gewesen. Wie das Hüttenbuch verrät, haben zwei Thru-Hiker das kürzlich genauso gemacht.
CDT Tag 95 – Ein sozialer Marathon
42 km / 1.355 hm / 10 h
Endlich ein entspannter Tag, der erste seit Langem ohne schwieriges Terrain. Der Morgen begrüßt uns mit dem Blick auf einen schneebedeckten Gipfel, bevor wir den Großteil des Tages im Wald verbringen. Der frische Schnee schmilzt schnell, während wir absteigen, und selbst ein 19 Kilometer langer wasserloser Abschnitt ist bei den kühleren Temperaturen kein Problem.
Wir begegnen heute so vielen CDT-Hiker*innen wie noch nie. Viele wurden vom Schneesturm aufgehalten. Es fühlt sich an wie eine kleine Trail-Reunion: alte Bekannte wie Cookie, Triple T und sogar Tucker, der freundlichste Hund weit und breit. Ich bin normalerweise kein Hundemensch, aber Tucker ist kaum zu widerstehen, während er Aufmerksamkeit von beiden Händen zugleich fordert.
CDT Tag 96 – Leichter Tag mit Trail Magic Finale
36,8 km / 810 hm / 8 h
Der Tag verläuft größtenteils ereignislos. Zwei steile Anstiege unterbrechen das sonst einfache Gelände. Insgesamt erwarten uns heute nur 800 Höhenmeter – so wenig wie schon lange nicht mehr. Die Temperaturschwankungen sind extrem: Morgens frieren wir, mittags brennt die Sonne. Beim Aufstieg in der Hitze bin ich klatschnass geschwitzt, wieder in Shorts und T-Shirt.
Wir überqueren eine Straße und treffen auf Case, einen ehemaligen Thru-Hiker, der mit seinem Truck, Golden Retriever Tucker und Ausrüstung auf eine Gruppe wartet, die heute slackpackt. Am Abend begegnen wir ihnen wieder. Sie sitzen um ein Lagerfeuer und laden uns ein zu Hot Dogs, Salat und Gatorade. Eine wunderbare Überraschung, und wir bleiben für die Nacht bei ihnen.
CDT Tag 97 – Ruf der Wildnis
38 km / 1.430 hm / 9,5 h
Am Morgen lässt uns eine Herde Pronghorns erstaunlich nah heran. Gleichzeitig hallen zehn Minuten lang Elchrufe um uns herum. Wir sehen die Tiere zwar nicht, aber der Klang ist magisch. Der Tag beginnt eisig, doch es wird schnell warm, sogar einige stechfreudige Fliegen tauchen wieder auf.
Wir überqueren einen Fluss, was später zu wunden Füßen führt. Die Lebenszeit meiner Schuhe neigt sich deutlich dem Ende zu. Mittagspause machen wir an einer Schotterstraße, wo Case und Tucker erneut mit dem Truck auf uns warten.
Der Aufstieg zum San Luis Pass ist lang, aber angenehm. Das Tal leuchtet in den intensivsten Herbstfarben, und oberhalb des Trails entdecken wir eine Elchkuh. Während die anderen früher ihr Lager aufschlagen, ziehen wir weiter – in der Hoffnung auf goldenes Abendlicht. Der Sattel erwartet uns mit dem San Luis Peak auf der einen und schroffen Felsformationen auf der anderen Seite. Pikas huschen geschäftig durchs Geröll, Grasbüschel in ihren Mäulchen, um ihre Winterquartiere zwischen den Felsen zu isolieren.
Wir zelten am höchsten Punkt – kein Schnee, kein Wind, nur weite Aussicht, Stille und ein feuriger Sonnenuntergang.
CDT Tag 98 – Ankunft in Creede
28 km / 1.160 hm / 8 h
Wir wandern weiter in Richtung Spring Creek Pass und überqueren Grate und Sättel, während in der Ferne gezackte, haifischflossenartige Gipfel aufragen. Die San Juans! Beim Mittagessen erwischt uns kurz Regen und Hagel, aber wir sind froh, auf der Red Line geblieben zu sein und nicht die Abkürzung des „Creede Cutoffs“ genommen zu haben. Dieser Abschnitt ist einfach zu schön, um ihn zu verpassen.
Am Highway angekommen, bekommen wir schnell eine Mitfahrgelegenheit und landen im Hiker-Hostel in Creede. Es ist laut, voll, chaotisch. Ich versuche, mit bekannten Gesichtern in Kontakt zu kommen, fühle mich aber schnell überfordert von den schnellen, durcheinanderwirbelnden Gesprächen. Ich kann kaum folgen und fühle mich fehl am Platz. Ryan und ich stellen unser Zelt draußen auf, auf der Suche nach Ruhe. Das Zelt fühlt sich wie ein Zufluchtsort an, auch wenn Gelächter, Stimmen und klirrende Bierflaschen vom Hostel herüberklingen. Ich liege allein, eingekuschelt in meinem Schlafsack, und lausche dem Summen der Welt da draußen. Und doch fühle ich mich so weit weg von ihnen wie nur möglich. Willkommen in meinem Leben.
Leider stellt sich heraus, dass unser Paket mit meinen neuen Schuhen unauffindbar ist.
Herausforderungen & Höhepunkte des Abschnitts
Herausforderungen:
Starke Temperaturschwankungen, eisige Morgen und heiße Nachmittage.
Höhepunkte:
Trail Magic, goldene Espen, Pronghorns, Elche und die unvergleichlichen Rufe der Wapitis in der Wildnis, Gratwanderung und Sonnenuntergang am San Luis Pass.
Lektion:
Der Trail beschenkt mich mit Momenten tiefer Verbundenheit zur Natur – und genau darin liegt für mich sein Zauber.
Hier geht’s zum nächsten Abschnitt auf dem CDT: