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Peru: Grenzgang auf 6.000m am Chachani

Der Chachani gilt als einer der einfachsten 6.000er der Welt, denn man muss „einfach“ nur hochgehen. Die Höhe, die dünne Luft, die Kälte um 2 Uhr nachts, die Erschöpfung machen ihn dennoch zu einer anspruchsvollen Erfahrung, die mich an meine körperlichen Grenzen bringen soll.

Wenn viel Schnee liegt benötigt man für die Besteigung des Chachanis Steigeisen und Pickel, durch die vulkanische Akitvität im Moment ist das aber nicht nötig und man kann mit normaler Wanderausrüstung diesen Berg besteigen.

Um 22 Uhr geht’s los und wir werden vor unserem Hostel abgeholt. Wir haben versucht vorher noch etwas zu schlafen, was aber nicht besonders gut funktioniert hat, also holen wir das nun etwas im Auto nach. Um kurz vor ein Uhr biegen wir von der großen Straße ab und der Feldweg ist ziemlich holprig – an Schlafen ist also nicht mehr zu denken.

Start um 2 Uhr nachts

Um kurz vor 2 Uhr setzt uns das Auto auf etwa 4.950m ab. Es ist tiefe Nacht und wir können die Sterne und Milchstraße sehen. Es ist gar nicht so kalt wie gedacht und beim Gehen wird einem schnell warm. Wir sind dick eingepackt in zwei langen Unterhosen mit Überhose, Hardshelljacke, Daunenjacke, Fleecejacke, Mütze und Handschuhe.

Die erste Stunde zum Base Camp am Chachani geht über große Steine über die wir im Schein unserer Stirnlampen kraxeln. Am etwa auf 5.200m liegenden Base Camp machen wir unsere erste Pause. Während wir eine Tasse Cocatee schlürfen, beobachten wir das Licht einer anderen Gruppe, die uns schon ein paar hundert Höhenmeter voraus ist. Außer dem Sternenhimmel und diesem Licht ist nichts zu sehen.

Der weitere Weg führt einen sandigen Schotterhang in Serpentinen hinauf. Auf dem Grund rutscht man leicht, aber wir kommen gut voran. Nach ca. 40 Minuten erreichen wir die 5.400m und machen die nächste Pause. Viel zu sehen git es nicht und wir laufen einfach nur mit dem Blick auf den Boden in der Dunkelheit nach oben. Wir scheinen ganz gut akklimatisiert zu sein und merken nicht viel von der Höhe. Je länger die Nacht voranschreitet und je höher wir kommen, desto kälter wird es. Bald haben wir kalte Finger und ich habe nur dünne Handschuhe. Bald soll jedoch die Sonne aufgehen und damit wärmer werden. Als wir die 5.700m erreichen ist schon ein leichter heller Streifen am Horizont zu sehen. So richtig nehme ich das gar nicht richtig wahr, ich kämpfe. Immer wieder muss ich stehen bleiben, mir die Hände reiben und verschnaufen.

Auswirkungen der Höhe

Ich merke, dass mir das Tempo zu schnell ist. Wie ich mittlerweile genau weiß, ist der Schlüssel zu jedem Höhenbergsteigen ein langsames, aber stetiges Tempo. Ich versuche also langsamer, mit mehr Pausen zu gehen. Jedoch treibt uns unser Guide immer wieder an sobald ich Pause mache oder die Lücke zwischen uns größer wird. Er scheint keine Ahnung zu haben was los ist undglaubt nur, dass ich kalte Hände habe. Da er kaum Englisch spricht ist es schwer ihm begreiflich zu machen, dass ich langsamer gehen muss. Er gibt mir seine Handschuhe und rennt weiter.

Anstatt auf meinen Körper zu hören, höre ich auf den Guide und gehe weiter. Ich beginne zu schwanken und unsicher zu gehen. Der Guide will erst auf 5.900m wieder Pause machen. Bei aber etwa 5.850m geht bei mir nichts mehr, meine Beine sacken unter mir weg und ich plumpse auf den kalten Boden wie ein nasser Sack Kartoffeln. Ich glaube nicht mal mehr über die Kraft zu verfügen abzusteigen. Ich bin total fertig. Meine Lippen sind bläulich und mir ist schwindlig. Ich bin definitiv höhenkrank. Mir ist kalt, ich zittere am ganzen Körper, spüre meine Hände und Füße kaum noch und zu allem kommen noch Erschöpfungstränen, woraufhin ich zu hyperventilieren anfange und kaum noch Luft bekomme.

Noch nie bin ich so an meine körperlichen Grenzen gelangt wie hier, in diesem Moment. Wenn jeder Ehrgeiz verschwindet, der mich sonst auf die Gipfel treibt, egal wie hoch, hart und wie anstrengend sie sein mögen. Ich will nur noch runter von diesem Berg. Alex bietet an mit mir zurückzugehen, damit der Guide mit Benoît zum Gipfel gehen kann. Alex geht es gut und er hat keine Probleme. Der Guide lässt uns jedoch nicht und scheint mit der Lage ziemlich überfordert. Unsere Versuche meine Lage zu erklären stoßen bei ihm auf Unverständnis, obwohl ihm sofort klar sein müsste, worum es sich handelt. Ein bisschen Sauerstoff im Rucksack hätte sicher auch nicht geschadet.

Unser Guide am Ausangate hatte immer Sauerstoff dabei, obwohl wir nur auf höchstens 5.100m waren. Kenntnisse über Höhenkrankenheit wären die Mindestvoraussetzung für eine Führung auf einen 6.000m hohen Berg. Wir haben die andere Gruppe mittlerweile fast eingehlt und waren ein gutes Stück schneller als geplant, trotzdem hat uns der Guide immer weiter getrieben. Hätten wir langsamer und mehr Pausen gemacht als ich die ersten Probleme hatte, hätten wir das Ganze vermeiden können.

Sonnenaufgang

Die lange Pause tut mir gut. Es wird langsam heller und über uns ist der Hang schon im Licht. Alles erscheint mir total surreal, als wäre ich gar nicht wirklich hier, sondern würde nur träumen. Wir gehen langsam weiter, was ganz gut klappt. Als wir die Sonnenkante erreichen, machen wir Pause und wärmen uns auf. Ich schlüpfe aus meinen Schuhen und reibe meine gefühllosen Füße. Wir sind nun auf 5.900m angekommen. Benoît ist mit der anderen Grupe schon vorausggangen, denn ihm wurde auch sehr kalt beim Warten. Von hier sind es noch 40 Minuten zum Gipfel. Wir gehen einen Schutthang hinauf, der zum Teil mit Schnee bedeckt ist. Wir machen langsam. Mir geht es immer noch nicht gut, aber die schlimmsten Symptome bleiben jetzt aus.

Endlich am Gipfel

Wir erreichen eine Kuppe und können zum ersten Mal den Gipfel sehen. Er ist schneebedeckt und es gibt sogar ein Gipfelkreuz. Auf Schutt und Schnee stapfen wir den letzten Hang hinauf, dann haben wir es geschafft. Wir stehen auf dem Gipfel des 6.057m hohen Chachani. Unser erster 6.000er! Oben werden wir schon von Benoît erwartet, der auch nicht mehr 100%ig fit zu sein scheint und froh ist oben zu sein. Mir geht es den Umständen entsprechend gut, bin aber froh es hinter mir zu haben und nur noch den Abstieg vor mir zu haben.

So schnell werde ich nicht mehr auf solche Höhen vorstoßen. Wir genießen die Aussicht vom Chachani – Arequipa unter uns und Misti daneben. Wir sehen den Ampato und den rauchenden Sabancaya. Ich befinde mich noch immer in einer Art Trance Zustand und nehme das alles nur auf einer anderen Ebene wahr, die nicht zu mir zu gehören scheint. Trotzdem bin ich glücklich es geschafft zu haben, sehr gemischte Gefühle.

Abstieg vom Chachani

Zuerst gehen wir den Weg hinunter auf dem wir gekommen sind. Dann führt uns der Guide in einen steilen sandigen Schutthang. Unter dem Sand ist der Boden gefroren und man rutscht auf dem Schutt darüber unkontrolliert. Immer wieder treten die oberen Steine los, die auf die anderen herunter rollen. Keine Ahnung warum wir nicht auf dem Weg geblieben sind, es ist nicht so, dass wir in Zeitnot stecken würde.

Der Guide will, dass wir wegen der Steinschlaggefahr zusammenbleiben. Aber anstatt auf die hinteren zu warten, rennt er weiter voraus. Das Gelände wird besser als wir weiter runter kommen, da der Boden nicht mehr gefroren ist und man wie in einem normalen Schuttfeld gehen kann, aber es ist ziemlich anstrengend. Unser Guide ist schon weit voraus.

Alex und ich gehen langsam den Hang hinunter, der ziemlich stuabt. Mir geht es jetzt gut und es gibt keinen Grund weshalb wir uns beeilen müssten. Am Ende des Hangs erreichen wir das Basecamp wo wir eine längere Pause machen. Mittlerweile ist es ziemlich warm und ich entledige mich einiger Kleidungsschichten. Über die Felsen steigen wir den Weg zurück zum Auto. Es ist ganz interessant wie es hier am Tag aussieht und wir können Vicuñas sehen. Wir sind aber auch müde und geschafft und froh als wir am Auto ankommen. Es ist heiß und ich ziehe mir die lange Unterhosen aus. Alles ist ziemlich verstaubt.

Rückweg nach Arequipa

Wir verabschieden uns von unserem Guide, der hier am Chachani bleibt da bald eine neue Gruppe kommt, die hier übernachtet. Viele machen diese Tour an zwei Tagen und schlafen am Base Camp. Da sich Höhenkrankheit aber oft über Nacht entwickelt und es vielen in der Nacht schlecht geht und sie nicht schlafen können, haben wir uns für die Ein-Tages-Variante entschieden. Unserem Guide geben wir kein Trinkgeld, eine schwache Leistung. Wir lernen daraus nicht mehr das billigste Angebot wahrzunehmen wenn es um Guides auf anspruchsvollen Bergtouren geht. Das geht solange gut, solange keine Probleme auftauchen.

Die Qualität eines Guides erweist sich erst wenn es zu Problemen kommt. Gute Bergführer kosten eben ihr Geld. In unserem Fall erwies sich unser Guide tatsächlich nur als Führer, der uns den Weg gezeigt hat, nicht aber als klassischer Bergführer, der alle Aspekte einer Bergbesteigung wahrnimmt und sich entsprechend kümmert. Ich bin froh es heil überstanden zu haben.

Wir fahren auf einem ziemlich holprigen Weg nach Arequipa zurück. Obwohl ich ziemlich müde bin, schlafe ich nicht viel. Unser Fahrer erzählt uns davon, dass bei der Firma sogar schon mal ein Wanderer am Chachani im Nebel verloren ging, weil sein Guide nicht richtig auf ihn geachtet hat. Ein Rettungstrup fand ihn zum Glück noch lebend. Auf solchen Höhen kann es schnell um Leben und Tod gehen. Zurück in Arequipa verabschieden wir uns von Benoît und gehen was essen. Im Hostel fallen wir ins Bett und schlafen. Ein langer Tag, der mehr als 30 Stunden dauerte.


 

FAKTEN ZUR TOUR
Bergtour Chachani (6.0570m)

Gehzeit: 8-9h rauf, 3-4h runter
Höhenmeter: 1.100 hm
Ausgangspunkt: Campamento de Azufera (4.950m)
Übernachtungsmöglichkeit: Mit Zelt am Base Camp (5.200m)
Schwierigkeit: T4 – Alpinwandern, jedoch auf großer Höhe und weglos

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Die Weltwanderin

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Annika

Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeuten Wandern und Reisen für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt

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