Venedig, eine Stadt, die angeblich vor Romantik und Inspiration sprüht. Venedig wurde auf 117 Inseln errichtet und hat rund 150 Kanäle und 410 Brücken. Im Norden und Süden wird Venedig vom Lagunenwasser umspült, das mit vielen Inseln und Felsen übersät ist. Die Stadt auf dem Wasser beschert einem ein Kaleidoskop aus wirren und bunten Bildern prächtige Kirchen und Paläste, verschlungene Kanäle und enge Sackgassen, zahllose malerische Brücken, die über das milchig grüne Wasser führen sowie trubelige Märkte. Wenn man jenseits der Hauptwege in den Seitengassen entlang bummelt trifft man auf Ruhe und Stille sowie die ein oder andere Miezekatze. Besonders die authentischen Wohngegenden mit ihren Wäscheleinen, die quer über die Gassen gespannt werden sind es wert erkundet zu werden.
Venedig empfängt uns mit Regenwetter und Pfützen, die unsere Schuhe auf dem Weg zum Hotel durchweichen. Wir haben Mühe den richtigen Weg zu finden, da in dieser wimmelnden Stadt die Orientierung nicht eben nicht leicht fällt. Nachdem die erste Hürde genommen ist und wir unser Zimmer (mit Ausblick… auf eine 1m entfernte Mauer) bezogen haben, begeben wir uns auf einen ersten Erkundungsgang, sogar ohne Regen. Wir schlängeln uns durch schmale Gassen, kreuzen unzählige Kanäle über kleine Brücken und verlaufen uns ein ums andere Mal. Da die Gassen so schmal sind kann man sich nicht an markanten Bauwerken, die vielleicht über Dächer ragen könnten, orientieren. Immer wieder enden die Straßen in Sackgassen und man wird mit tollen Blicken auf den Canal Grande entlohnt.
Canal Grande
Der Canal Grande schlängelt sich mitten durch die Stadt. Er ist die Hauptstraße Venedigs. Hier stehen viele imposante Kirchen, edle Palazzi und Spitzenhotels. Wir passieren viele kleine Plätze und Kirchen, von denen es hier eine Menge gibt, sowie Palazzos. Dabei fällt auch der langsame Verfall aller Pracht auf. Überall dringt die Feuchtigkeit ein, das Erdgeschoss ist oft unbewohnbar und die Fassen bröckeln.
Bis wir die Rialto Brücke erreichen. Diese ist vor Allem voll mit dicht gedrängten Touristen und fliegenden Händlern. Von der Promenade am Ufer hat man einen besseren Blick auf den Kanal und diese einmalige Brücke. Sie war überhaupt die erste Venedigs über den Canal Grande und steht bereits etwa 600 Jahre dort. Bögen verzieren dieses Bauwerk aus Marmor in der Höhe.
Gondoliere werben hier um Kundschaft die sie über’s Wasser schippern können (80€ für 40 Minuten). Oscar Wilde äußerte sich über dieses Erlebnis eher miesmuschelig indem er sagte Gondelfahren sei wie am Grund der Kanalisation in einem Sarg umhergefahren werden. Das passt, denn die Gondeln sind allesamt schwarz und mit Samt und Gold üppig ausstaffiert. Kitsch pur. Nein, Romantik, ich weiß. Viele Verliebte sehe ich allerdings nicht.
In Rialto suchen wir ein Selbstbedienungsrestaurant auf und vertilgen eine Portion Nudeln für 8,50€. Venedig ist die teuerste Stadt Italiens und das macht sich überall bemerkbar. Sei es der Eintritt zu Sehenswürdigkeiten, Essen (auch im Supermarkt) oder die Flasche Wasser für 1€. Das ist zum einen so, da der gesamte Warenverkehr über das Wasser geschehen muss, aber sicherlich zum auch einfach weil sie’s können.
Da der Himmel heute grau aussieht verschieben wir eine genauere Besichtigung auf den nächsten Tag und machen uns auf den Rückweg nach Dorsuduro, dem Stadtteil unseres Domizils. Wir genehmigen uns venezianische und äußerst leckere Eiscreme und gucken den jugendlichem Treiben am Abend auf dem Campo Santa Margherita zu. Auffällig ist es, dass hier fast jeder das orange Getränk „Spritz“ zu sich nimmt. Ein venezianisches Mixgetränk aus Weißwein, Mineralwasser und Campari. Früh gehen wir schlafen um mitten in der Nacht davon geweckt zu werden wie jemand sich an unserer Tür zu schaffen macht. Gruselig.
Dorsuduro
Am Morgen besuchen wir erst einmal den örtlichen Supermarkt für ein Frühstück. Auch hier reihen sich die Preise in das übliche Bild ein. Wir setzen uns auf unseren Santa Margherita Platz in den strahlenden Sonnenschein und schauen den großen Möwen zu wie sie sich brutal um ein Stück Fisch vom Markt streiten.
Nun erkunden wir den Dorsuduro Bereich und finden uns schnell am Meer wieder, wo wir die Uferpromenade entlang spazieren bis zur auffälligen Chiesa di Santa Maria della Salute, einer prunkvollen Barockkirche. Aus der Entfernung macht diese Kirche besonders Eindruck. Dorsuduro ist nicht überlaufen und liegt als breiter Streifen am südlichen Ufer auf der Sonnenseite. Vorbei kommen wir am Palazzo Dario, einem der ersten venezianischen Renaissancebauten, der komplett mit Marmor verkleidet wurde und eine seltsame Geschichte hinter sich hat. Alle Besitzer des Hauses starben einen frühzeitigen Tod. Deshalb soll auch Regisseur Woody Allen Abstand vom Kauf der Villa genommen haben. Wir überqueren den Canal Grande am Kunstmuseum Dell’Accademia.
Von der Mitte der Brücke aus ist der Blick in beide Kanalrichtungen auf das Getümmel und die Bauten am Wasser genial. Auch die Silhouette der Chiesa di Santa Maria della Salute ist von hier zu sehen.
San Marco
Dann erkunden wir mehr des Stadtteils San Marco wie dem Palazzo Contarini del Bovolo, der sich in einem Gewirr enger Gassen versteckt. An der Fasse ist eine schwindelerregende Wendeltreppe angebracht. Bögen und Kapelle geben dem Gebäude noch einen gotischen Hauch. Leider ist der Palazzo wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Hier begegne ich auch einer venezianischen Mieze, die sich von mir kuscheln lässt und mich mehr fesselt als jegliche venezianische Architektur. Wer ein Land oder eine Stadt wirklich kennenlernen will muss sich schließlich mit deren Bewohner anfreunden!
Dann gelangen wir auf den Markusplatz. Hier steht die markante und protzige Basilica di San Marco mit ihren fünf Kuppeln. Erst war sie als Privatkapelle des Dogen gedacht, erst später wurde sie zur offiziellen Kathedrale Venedigs. Die Markuskirche ist bereits über 900 Jahre alt. Da Venedig Glück hatte den 2. Weltkrieg unbeschadet zu überstehen können wir noch heute viele dieser alten Gebäude sehen.
Viele Tauben treiben auf dem Platz ihr Unwesen, angefüttert von den vielen Touristen. Offenbar gehört es ins Familienfotoalbum sein Kind beim Füttern der Tauben zu fotografieren. Die Beobachtung dessen ist relativ amüsant auch wenn die 100.000 Tauben eine Bedrohung darstellen – durch Kot auf den Baudenkmälern, die den Stein zerstört und Übertragung von Krankheiten. Deshalb ist vom Füttern eher abzusehen um das Taubenproblem nicht noch zu verschlimmern.
Stolz ragt der Companile neben der Markuskirche in den Himmel. Der 99m hohe Glockenturm krachte 1902 zusammen und wurde daraufhin neu errichtet. Von hier oben hat man einen tollen Ausblick über die komplette Stadt. Mein Lieblingsausblick ist der aufs Meer mit und den Kuppeln der Markuskirche im Vordergrund. Die Seiten des Platzes werden von eleganten Arkaden gesäumt. Im Café Florian kann man die berühmte 10€ teure Kaffeetasse leerschlürfen. Man bezahlt für die Aussicht auf der Terrasse, die Bedienung und das Streichquartett mit. Wir können uns beherrschen. Ein weiteres Streichquartett des Nachbarcafés spielt mit dem des Café Florians um die Wette.
Am gotischen Dogenpalast und der prunkvollen Nationalbibliothek vorbei, gelangt man ans Meer und wir schlendern die Uferpromenade entlang. Vorbei an vielen Farbigen, die gefälschte Markentaschen feilbieten. So viele Taschen wie hier zu finden sind kann unmöglich jemand kaufen.
Castello
Viele Souvenirgeschäfte sowie Eisverkäufer passiert man auf dem weitern Weg Richtung Arsenale im Stadtbezirk Castello, der sich an San Marco anschließt, und die Touristenschwärme dünnen langsam aus. Das Arsenale war die gigantische Werft des mittelalterlichen Venedigs. Hier wurden Schiffe wie am Fließband produziert. Man gelangt hier in die relaxte Wohngegend, wo man das „normale“ Venedig antrifft.
Venedig ist also nicht total überlaufen, lediglich durch die Hauptwege von Bahnhof zum Markusplatz und am Canal Grande drängen sich Touristenschwärme 365 Tage im Jahr. Die meisten der jährlich 20 Mio. Besucher kommen wohl nicht viel weiter. Es ist ein Vergnügen durch die ruhigen Seitenstraßen zu bummeln und alle Facetten der Stadt auf sich wirken zu lassen.
Giardini Pubblici
Hinter der Werft findet man sich in den weitläufigen Parkanlagen des Giardini Pubblici wieder. Hier gibt es schattige Bänke und Schaukeln. Ein älteres Paar fand den Park offensichtlich so einladend, dass sie ihren Mittagsschlaf sitzen auf der Bank einnahmen. Wir laufen bis ans Ende und landen auf der kleinen Insel Sant’Elena, die von einer kleinen Kirche beherrscht wird.
Mit dem Vaporetti über den Canal Grande
Dann beschließen wir eins der Vaporetti, dem Hauptverkehrsmittel Venedigs neben den Füßen, zu nehmen um den Canal Grande wieder hinaufzufahren und den Ausblick vom Wasser aus zu genießen. Das scheitert jedoch daran, dass die Ticketschalter hier draußen bereits geschlossen haben. Wir schlendern also mit einem Eis in der Hand die Promenade zurück.
An der San Zaccaria finden wir jedoch einen noch offenen und besteigen das Vaporetto. Pünktlich zur goldenen Stunde haben wir hier noch wunderbare Aussichten auf das Herz Venedigs. An der Piazzale Roma, dem Busbahnhof, endet die Fahrt und erkunden noch ein wenig den Stadtteil Cannaregio bis zum Dunkelwerden. Dann gehen zahlreiche Lichter an um die Stadt zu erhellen. Der Sonnenuntergang am Wasser bietet einen perfekten Ausklang des Tages.
Strandsonne am Lido
Heute feiert Venedig ihren Schutzpatron, den heiligen Markus. Zu diesem Anlass schenkt man Rosen, die man heute an jeder Ecke bekommen kann. Nach dem Frühstück auf dem Campo Santa Margherita begeben wir uns wieder zum Markusplatz um dort das Vaporetto zu besteigen, das einmal rund um Venedig fährt. Heute fällt die Orientierung schon wesentlich leichter und wir gelangen ohne Verlaufen ans Ziel. Das Vaporetto führt einen an der Friedhofsinsel vorbei, rund um die Insel Murano, die für ihre Glasbläserkunst bekannt ist, und auch in die weniger glanzvollen Ecken wie die Nahe des Busbahnhofes.
An den Giardini Pubblici steigen wir aus um danach zum Lido zu fahren. Der Lido ist die Barriere zwischen Lagune und Adria. Der Autoverkehr und die Pinien sowie das Fehlen der vielen Kanäle lassen dem Lido Welten von Venedig entfernt erscheinen.Die Strände sind hier die Hauptattraktion, aber sehr spannend sind sie nicht. Einzig die zahlreichen Muscheln sind schön und laden zum sammeln ein. Wir lassen uns ein wenig die Sonne auf den Pelz scheinen. Die Ruhe hier im Gegensatz zu dem Gewimmel in Venedig tut gut. Im Frühling wirkt die Insel noch wie ein verschlafener Urlaubsort mit ihren Palmen und Villen. Man kann sich vorstellen was hier im Sommer los sein wird.
Cannaregio
Wir fahren zurück und den Canal Grande hinauf um noch den südöstlichen Teil Cannaregios zu erkunden. Man drängt sich durch die Menschenmassen um in kleine ruhige Seitengassen zu gelangen. Es ist merkwürdig wie die Besucherströme an einem vorbei wuseln und sich nicht einer von der Herde löst und von der Hauptstraße auf nahe gelegene Plätze wagt wie dem Campo vor der Chiesa della Maddalena. Am Ufer der Lagune – der Fondamenta Nouve – spiegeln sich die Lichter im Wasser und wir laufen daran entlang bis zu einem großen Platz mit der riesigen Basilica Santi Giovanni e Paolo. Die massive Fassade taucht ganz plötzlich vor einem auf. Im Dunkeln irren wir zurück durch die Straßen über die Rialto Brücke auf der sich noch nachts die Touristen tummeln und sich an Nachtfotos auf die Lichter des Canal Grande gegenseitig zu überbieten versuchen.
Den Campo Santa Margherita hört man schon vom weitem. Hier tobt heute ein Konzert der Antifa. Tolle Musik, der Sternenhimmel und nicht zuletzt ein Eis in der Hand, bieten einen guten letzten Abend in Venedig.
Morgenspaziergang oder Venedig ganz für sich allein
Ich sitze hier früh am Morgen vor der Chiesa di Santa Maria della Salute, Venedigs berühmtester Silhouette am Ufer des Canal Grande. So früh ist Venedig noch ganz dunstig und verschlafen. Das Gewimmel von sonst ruht noch still und ich genieße die Atmosphäre, die dem frühen Morgen eigen ist. An meinem letzten Tag in Venedig wollte ich die morgendliche Stille an meinen beliebtesten Orten erleben. Ich begab mich auf einen Spaziergang durch Dorsuduro, am Lagunenufer entlang und bis zur Spitze mit der Chiesa am Canal Grande. Dann begebe ich mich zum Markusplatz, der um diese Zeit weitgehend von Besuchern, Tauben und Händlern befreit ist. Durch den Wolkendunst scheint schwach die Sonne hindurch und erzeugt eine surreale Atmosphäre.
Schon wenig später überlaufen die Besucherströme wieder die Straßen und schieben sich durch die engen Gassen Rialtos und San Marcos. Die Einheimischen schlängeln sich gekonnt durch die Touristenschar und scheinen sie kaum wahrzunehmen. Besonders gerne scheinen die Italiener zu telefonieren. Man sieht viele mit einem Mobiltelefon am Ohr. Die Italienerinnen sind hübsch und dicke Menschen sieht man gar nicht. Kein Wunder in einer Stadt in der Essen teuer ist und man sich hauptsächlich zu Fuß bewegt und die vielen Stufen auf den Brücken hoch- und herunterlaufen muss.
Wir sitzen eine Weile am Canal Grande und beobachten das Treiben, drängen uns durch die Massen an der Rialtobrücke und sitzen am Campo San Polo, wo Kinder versuchen Seifenblasen zu fangen. Dann verlassen wir Venedig in einem ähnlichen Wetter wie es uns willkommen geheißen hat. Regentropfen trommeln gegen die Scheiben des Busses, der uns zum Flughafen bringt.