Das Great Divide Basin offenbart aufs Neue die Höhen und Tiefen des CDT – vom Cowboy-Camping unter einem sternenübersäten Himmel bis zum Kampf gegen unerbittliche Winde und endlose sandige Pfade. Wasser ist knapp, viele Quellen sind durch Kühe verunreinigt. Unterwegs begegnen wir Wildpferden und Pronghorn-Antilopen, begleitet von Wüstensonnenauf- und -untergängen, die so surreal-schön sind, dass sie uns fast unsere schmerzenden Beine vergessen lassen. Es ist eine Reise voller harter Kilometer, roher Schönheit und unerwarteter Glücksmomente.
Tag 66 – Die Geisterstadt
21,7 km / 300 hm / 4,5 h
Wir verlassen Lander mit frisch gebackenem Sauerteigbrot im Rucksack. Gutes Brot ist in den USA nur schwer zu finden und mich erfüllt es jedes Mal mit unbändiger Freude, wenn es mir gelingt. Der Rauch eines nahen Waldbrands hängt schwer in der Luft, doch zurück auf dem Trail klart der Himmel auf. In South Pass City erkunden wir die liebevoll erhaltene Geisterstadt des Goldrauschs. Als der Trail in die Weite des Great Divide Basin führt, färbt der Sonnenuntergang die Ebene in leuchtenden Tönen. Wir tanzen in die Nacht und cowboy-campen unter einem Himmel voller Sterne. Die Milchstraße zieht sich über uns – ein Moment jenseits der Zeit.
Tag 67 – 55 km Wüstenmagie
55 km / 680 hm / 11,5 h
Wir starten unseren Morgen noch im Mondlicht. Der Tag beginnt magisch: Hunderte Wildpferde galoppieren durchs offene Land, Antilopen flitzen vorbei. In der Ferne ziehen Gewitter auf, doch wir bleiben weitgehend trocken. Ein Wasser-Cache schenkt Erleichterung, und am Abend wird es gesellig, als sich die Gruppe um Little Legs, Crazy Eyes, Chip, Mooch und Nana Man um uns schart. Bei Sonnenuntergang laufen wir weiter, bis der Himmel voller Sterne ist.
Heute haben wir 55 Kilometer geschafft, meine bisher weiteste gewanderte Strecke. Während ich unter dem Sternenhimmel liege, völlig erschöpft, aber absolut glücklich, bin ich stolz auf meine Leistung. Während andere Thru-Hiker solche Distanzen täglich bewältigen, ist es etwas Besonderes für mich. Wir gehen normalerweise nur zwischen 30 und 40 Kilometer pro Tag. „Langsam, aber stetig“ ist unser Motto.
Tag 68 – Gegenwind & innere Stürme
52,2 km / 1.250 hm / 11,5 h
Der Wind peitscht durch die Nacht, der Morgen ist zäh. Mir ist übel, mein Körper braucht lange, um in Gang zu kommen. Ich wandere schweigend, ohne Frühstück, ohne Energie, finde erst spät in meinen Rhythmus. Der Wind bleibt unerbittlich, Sand weht uns ins Gesicht, die Sonne brennt – trotz Wolken. In der Gruppe fühle ich mich überfordert, fehl am Platz. Es macht mich traurig, dieses Gefühl der sozialen Unzulänglichkeit, das mich in letzter Zeit wieder häufiger heimsucht. Bis zu einem gewissen Grad kann ich an der Welt teilnehmen, aber selten ganz. Am einsamsten fühle ich mich nicht in der Stille, sondern in den Momenten, in denen ich erfolglos versucht habe, eine Verbindung zu schaffen, aber die Frequenz einfach nicht stimmen wollte.
Ich ziehe mich zurück, wandere alleine weiter, höre ein meinen Geist vereinnahmendes Hörbuch und atme auf. In der Nacht finden wir Schutz vor dem Wind in einer kleinen Schlucht. Der Sternenhimmel bringt Frieden – und das Gefühl, im Universum wieder einen Platz zu haben.
Tag 69 – Monotonie & McDonald’s
40 km / 540 hm / 8 h
Ein endlos gerader Tag: 40 km durch flaches, staubiges Terrain stiller Weite. Der erste Tag im Basin war noch spannend, aber mittlerweile haben wir genug von endlosen Salbeibüschen, sprödem Gras und Sand. Jeder kleine Hügel offenbart nur noch mehr vor uns liegende Straße. Unsere Körper protestieren, die Hüften schmerzen. Ein Wasser-Cache mit Sonnenschirm wird zur Oase. Als uns Hagel trifft, wünschen wir uns nur noch eins: raus hier. Wir schaffen es bis zur Straße, dann nach Rawlins – gerade rechtzeitig, bevor ein Sturm losbricht. McDonald’s, Dusche, Kino. Morgen genehmigen wir uns einen weiteren Zero. Die Unterkünfte in Rawlins sind günstig, und wir benötigen die Pause.
Herausforderungen & Höhepunkte des Abschnitts
Herausforderungen:
Wasserknappheit, Hitze, große Tagesdistanzen
Höhepunkte:
Sonnenuntergänge, Sternenhimmel, wilde Pferdeherden und Pronghorn-Antilopen, das Gefühl völliger Entkoppelung von Zeit und Raum
Lektion:
Die größte Herausforderung ist nicht immer das Gelände – manchmal ist es die Stille, die Monotonie, das Nichts. Und genau darin liegt auch eine Form von Schönheit, die sich nur zeigt, wenn man durchhält.