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Blick vom Ausstieg vom Che Guevara Klettersteig

Italien: Durch die höchsten Wände im Klettersteig Che Guevara

Der „Che Guevara“ Klettersteig windet sich durch eine eindrucksvolle, fast senkrechte 1.400m hohe Wand, die Südwand des Monte Casale. Er ist einer der schönsten und mit Sicherheit der längste der zahlreichen Klettersteige rund um den Gardasee. Er verlangt für vier bis fünf Stunden höchste Konzentration sowie eine gute Kondition in dieser augesetzten und sehr sonnigen Wand. Hart ist gar kein Ausdruck, aber die Ausblicke entlohnen für die Strapazen.

Es kann einem schonmal den Mund offen stehen lassen wenn man vor dieser gewaltigen Felswand steht und an ihr hinauf schaut. Hier soll ein Klettersteig auf den Gipfel führen? Kaum denkbar. Der „Che Guevara“ hat vielleicht genau deshalb seinen Namen, denn ein bisschen revolutionär ist das schon. Er ist also der König der Klettersteige rund um den Gardasee und alleine deshalb packt mich die Abenteuerlust. Während der Klettersteig selbst nur mit A-C bewertet ist, macht ihn vor allem seine extreme Länge, seine starke Ausgesetztheit sowie die permanente Sonneneinstrahlung zu einer echten Herausforderung. Es gibt keinen Ausstieg zwischendurch – der einzige Weg raus ist durch!

Die 1.400m hohe Felswand

Wir starten erst gegen Mittag vom Parkplatz am Steinbruch und die Sonne knallt bereits. Wenigstens ist jetzt weniger los und es bilden sich keine Staus im Steig. Jetzt im April ist die Sonne ohnehin noch kein so großes Thema, im Sommer hingegen ist – wenn überhaupt – nur ein sehr früher Start möglich. Es ist kaum Schatten auf dem Weg durch die hohe Wand zu finden und Wasser sowieso nicht. Wir haben heute außerdem Glück: Ein leichter Windzug macht die Sonne mehr als erträglich. So ein später Start hat seine Vorteile: Am Ausstieg genießen wir schon die ersten langen Schatten, die die Felswände über uns werfen. Und der Abstieg erfolgt im Schatten des Spätnachmittags.

Nach einem etwa halbstündigen Zustieg erreichen wir den Einstieg in die Felswand, die uns auf den 1.632m hohen Monte Casale führen soll. Ein erstes Drahtseil markiert jedoch noch nicht den Einstieg, der sich erst kurz darauf findet. Und es geht gleich voll los: Es gilt eine fast senkrechte Rinne mit wenig guten Tritten hinaufzukraxeln, das Halten am Drahtseil erfordert etwas Armkraft. Ich bin sogleich froh um meinen Helm, denn es rieselt bereits hier die ersten Steinchen, die von über uns Gehenden losgetreten werden. Immer wieder löst sich in diesem brösligen Gestein der ein oder andere beschleunigte Stein, der zumeist fröhlich an uns vorbei hüpft.

Bald erwarten uns weitere Risse, Platten, Bänder und Pfeiler. Zwischen den sich zwischen A und B/C bewegenden Klettersteigstücken gibt es immer wieder mal Gehgelände, was mir eine willkommene Abwechslung ist. So kommt man deutlich schneller voran und bewältigt auch mal ein paar Höhenmeter. Ich klicke mich zwar nicht bei jeder Stelle ein, aber die Nutzung des Klettersteigssets ist trotzdem zeitaufwändig. Tatsächlich überholt uns nach einer Weile ein Paar, das ganz ohne Klettersteigssets unterwegs ist, auf ihrer wohlbemerkt ersten Tour des Jahres. Ein bisschen übermütig kommt mir das schon vor. Am Ende sind sie nicht viel schneller als wir.

Schwitzen, keuchen, staunen

Ich jedenfalls bin heute froh um mein Klettersteigset, denn mein letzter Klettersteig ist eine Ewigkeit her und da ich mittlerweile nur noch in Trailrunnern unterwegs bin, weiß ich auch noch nicht so ganz was die Schuhe auf einem solch anspruchsvollen Klettersteig so hermachen. Ich bin also vor allem auch deshalb um das Gehgelände froh um den Kopf auszulüften und sich endlich nicht mehr so höllisch konzentrieren zu müssen. Schon im ersten Viertel des Steigs frage ich mich schon warum ich überhaupt auf eine solche Idee gekommen bin. Die Wand erscheint unendlich, und trotz zunehmender Höhe will es einfach nicht vorangehen. Die ein oder andere Stelle verlangt ein Vertrauen in meine Schuhe, das ich zuerst noch nicht habe. Je höher es allerdings geht, desto besser fühle ich mich, kann in meine Schuhe und meine Fähigkeiten vertrauen, gewöhne mich an die Ausgesetztheit, gewinne an Selbstvertrauen. Kann mittlerweile die Aussicht auf die umliegenden Berge, die Tiefblicke auf die Sarca und den wunderschönen Lago di Molveno genießen.

Es ist sehr warm in der Sonne und der Atem geht schwer während wir die steilen Wege und kniffligen Kletterstellen meistern. Zwischen Klettersteig und Gehgelände gibt es auch immer mal wieder ungesicherte Kletterstellen im 1. Grad zu bewältigen, die sich meistens im schrofigen Gelände befinden. Wir erreichen das Klettersteigbuch auf 1.200m, von wo aus nur noch zwei Kletterstellen auf uns warten, die es jedoch in sich haben. Der Rest der 430 Höhenmeter ist jedoch größtenteils Gehgelände, das durch Büsche und kleine Wäldchen führt.

Am Gipfel des Monte Casale

Die letzten Höhenmeter zum Gipfel sind hart, mittlerweile sind wir ordentlich aus der Puste und freuen uns auf den Ausstieg. Hier finden sich nochmal wunderschöne Aussichten, inzwischen bis zum Gardasee in der Ferne, und spektakuläre Fotomotive auf verschiedenen Felspfeilern. Dann erreichen wir den Ausstieg und das Gipfelkreuz vom Monte Casale ist zum Greifen nah. Eine wunderschönes Gipfelplateau erwartet uns mit Fernsicht in die verschneiten hohen Berge von Adamello und Brenta hinein. Als ein großer Kontrast zu der schroffen Felswand erstreckt sich eine liebliche, mit Krokussen übersäten Bergwiese mit Bäumen. Als könnte der Gipfel kein Wässerchen trüben.

Den Gipfel erreicht sorge ich für mein leibliches Wohl: Ich mache ich mich um den Großteil meiner Vorräte her und genieße die Aussicht. Aufgrund vorgerückter Stunde teilen wir den Gipfel nur mit wenigen, haben aber nicht allzu viel Zeit zum Verweilen. Denn es wartet noch ein langer Abstieg auf uns. Die hier befindliche Hütte Rifugio Don Zio hat leider nur im Sommer geöffnet und so heißt es die ganzen 1.400 Höhenmeter auch wieder runterzuspazieren.

Der lange Abstieg

Hinter dem Rifugio führt uns nun ein normaler Weg auf den Abstieg zurück nach Pietramurata. Zuerst queren wir die frühlingshafte Almwiese mit Blick auf die schneebedeckten Berge dahinter bis wir zum Nordgrat des Monte Casale gelangen. Dadurch, dass man eine größere Schleife um die Steilwand herum geht, ist der Abstieg sehr lang. Der Großteil des Abstiegs verläuft wenig aussichtsreich im laubbedeckten Wald. Anfangs ist es sehr steil, geht dann aber bald in flachere Forstwege über. Die Knie melden sich bald, langsam ermüden die Gelenke. Der Abstieg kommt mir irgendwann schier unendlich vor. Das Adrenalin sorgt jedoch noch immer dafür, dass ich davon nur wenig merke. Irgendwann erreiche ich die Straße, die sich in Serpentinen den Berg hinauf windet, und quere diese indem ich über die zwei Leitplanken klettere. Nun ist es nicht mehr weit hinunter zu den Ufern der Sarca.

Gute drei Stunden benötigt man nach unten, wo es dann nochmal in etwa 20 Minuten flach durch Weingebiete zurück zum Parkplatz geht. Am Ende des Tages weiß man auf jeden Fall, was man getan hat: Die Füße erinnern einen daran. Deshalb gibt es heute auch nur noch eines: Pizza!


FAKTEN ZUR TOUR
Klettersteig Che Guevara auf den Monte Casale (1.632m)

Gehzeit: 7-8h
Höhenmeter: 1.400 hm
Ausgangspunkt: Parkplatz am Steinbruch in Pietramurata
Schwierigkeit: T3 – anspruchsvolles Bergwandern / I. Grad (UIAA) / Klettersteig C
Tipp: Nicht im Hochsommer gehen und viel Wasser dabei haben. Oben gibt es keine Auffüllmöglichkeit. Helm ist ebenfalls Pflicht, da hohe Steinschlaggefahr.

 

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Annika

Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeuten Wandern und Reisen für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt

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