Der zweite Teil unserer Gobi-Reise führt uns in das Herz der Mongolei, dem geographischen Zentrum. Hier befindet sich die ehemalige Hauptstadt Karakorum sowie Heiße Quellen und der größte Wasserfall der Mongolei.
Wieder früh aufstehen, gegen 9 Uhr fahren wir los, aber Ulzi braucht noch einen neuen Reifen. Offenbar haben alle Autogeschäfte noch geschlossen, aber schließlich finden wir ein Geschäft – naja, eher einen Container – mit einer Telefonnummer wo er anrufen kann. Kurze Zeit später erscheint jemand und sie montieren den neuen Reifen. Die Prozedur dauert etwa eine Stunde, weshalb es schon 10 Uhr ist als wir tatsächlich losfahren. Heute sind wir besonders ungeduldig, wir wollen so schnell wie möglich zum Wasserfall.
Wir fahren durch grüne Landschaft mit sanften Hügeln, von Kühen, Yaks, Schafen, Ziegen und Pferden begrast. Ziesel hüpfen alleweil über die Straße. Mittagspause, mehr erzwungen, da irgendwas mit dem Reifen nicht zu stimmen scheint. Ulzi rollt den Reifen zu einem nahen Bach um zu checken wo das Problem liegt, wohl ein Stein im Reifen. Er wechselt den Reifen aus, Mogi kocht. Die Sonne ist heute angenehm, der Wind streicht über unsere Haut.
Weiter geht’s, die ersten Bäume tauchen auf, es wird grüner und grüner. Schließlich gelangen wir an einen breiten Fluss, dessen Verlauf wir folgen. Gegen Nachmittag erreichen wir eine kleine Stadt. Kurzer Stop, Shop, Tanken. Nur noch 25km, für die wir aber über eine Stunde brauchen. Die Straßen sind ja immer schlecht, aber diese ist noch schlechter. Auch ein paar abenteuerliche Flussquerungen müssen vollbracht werden. Gegen sechs Uhr sind wir endlich am Camp. Wieder liegen sieben Stunden Fahrt hinter uns, deutlich mehr als die geplanten vier bis fünf Stunden, die uns Bobby vom UB Guesthouse angegeben hat. Wir fragen Mogi, sie sagt die Zeiten wären mit dem Jeep kein Problem, nicht aber mit einem Minibus wie diesem. Jeeps aber sind teuer. Jeder, der solch eine Tour macht, sollte wissen, dass die Wege länger sind als man denkt – schlechte Straßenverhältnisse und gelegentliche Pannen verzögern die Reise. Zwei Stunden kann man mindestens draufschlagen.
Erfrischung am Wasserfall Orkhon
Der Wind rauscht in unserem Ohren und überdeckt etwaige Wasserfallgeräusche, als wir uns kurz nach unserer Ankunft auf den Weg machen. Aber nach kurzem können wir das Rauschen des Wassers wahrnehmen. Wir wandern an der Schlucht entlang, die Tiefblicke auf den unteren Fluss gewährt. Dann stehen wir vor dem größten Wasserfall der Mongolei – dem Orkhon Khürkhree, der sich 22m in die Tiefe ergießt. Wir klettern – nach dem ersten Blick von oben – hinab in die Schlucht, was wenige hundert Meter flussabwärts über Felsen erfolgt. Hier erblicken wir den Wasserfall von unten, hüpfen aus unseren Kleiden und hinein in das kühle Nass. Der Anblick nah am Wasserfall ist atemberaubend, das Licht glitzert oben wo das Wasser in die Tiefe fällt. Die Gischt sprüht uns ins Gesicht.
Dann finden wir eine Deep Water Soloing Stelle in der Felswand – nicht hoch, aber es ist durchaus nicht so leicht seinen schweren Körper aus dem Wasser zu heben. Alex und ich klettern bis zu einer kleinen Plattform im Fels von der wir ins Wasser hineinspringen. Das erntet durchaus neugierige Blicke, wie wir danach feststellen, und Nachahmungsversuche, sie scheitern jedoch alle. Es wirklich nicht leicht, der erste Schritt aus dem Wasser im leicht überhängenden Fels, vor allem wenn man nicht weiß wohin mit den Füßen und Händen.
Uns wird langsam kalt und wir wärmen uns am Ufer auf den von der Sonne beheizten Steinen. Dann machen wir uns auf den Rückweg. Mogi hat das Abendessen für 20 Uhr angesetzt und wir wollen diesmal pünktlich sein, was nicht zuletzt am Hungergefühl liegt, das uns alle plagt :)
Der Orkhon Wasserfall am Morgen
Unser Plan ist es sehr früh aufzustehen um den Wasserfall im Morgenlicht strahlen zu sehen. Der Plan scheitert jedoch insofern, dass es um 6 Uhr noch ziemlich dunkel ist – nichts mit Morgensonne. Wir dösen also weiter vor uns hin, bis wir kurz nach 7 Uhr aus den Schlafsäcken kriechen. Es ist sehr kalt über Nacht geworden, wir packen uns in mehrere Kleidungsschichten ein und dann gehen wir nacheinander zum Wasserfall. Ich bin die zweite nach Benoît, der bereits die Morgensonne am Wasserfall genießt.
Leider ist die Sonne noch nicht soweit aufgegangen, dass sie den ganzen Wasserfall erhellt – der größte Teil liegt noch im Schatten. Trotzdem ist es ein schöner morgendlicher Anblick. Das Wasser am Zulauf glitzert im Sonnenlicht. Wir gehen zurück zu unserer Jurte und hoffen, dass Mogi keine Panikattacke bekommen hat, weil wir alle noch vor dem Frühstück schon weg sind, während wir sonst noch schlafen :) Mogi sorgt sich stets sehr um uns.
Das Frühstück steht schon bereit, wir essen und sind heute schnell zur Abfahrt bereit, da alle schon auf sind. Über holprige Straßen fahren wir weiter. Unser Ziel heute sind die Heißen Quellen von Tsenkher. Wir schließen Wetten ab, wann wir heute ankommen. Die Vermutungen reichen von 15 bis 17 Uhr. Auf der Karte sieht es nicht weit aus, aber man weiß ja nie.
Wir machen Mittagspause und ich besteige einen kleinen Hügel hinter dem Bus um die umliegende Landschaft zu betrachten. Unter mir zieht sich ein grünes Band durch die Wiesen, bewachsen mit vielen Bäumen nah am Fluss. Schafe und Ziegen grasen hier, erfreuen sich am frischen Wasser. Der Hügel selbst ist umstanden von lichtem Lärchenwald, schattenspendend und von zwitschernden Vögeln bewohnt. Es ist so friedlich, ruhig, idyllisch hier, dass man sagen möchte „Lass uns hier bleiben, für immer“. Gestärkt geht’s weiter und die letzten Kilometer haben es wieder in sich. Wir durchqueren mehrere beängstigend breite und tiefe Flüsse und rumpeln über große Schlaglöcher hinweg. Ziesel hüpfen vor uns davon, den buschigen Schwanz in die Höhe gereckt.
Die heißen Quellen von Tsenkher
Tatsächlich kommen wir um 15:15 Uhr an unserem Tagesziel an, weshalb gleich drei von uns inklusive mir die Wette gewinnen. Es handelt sich um ein großes Tourist Camp mit Restaurant und sogar Duschen und echten Toiletten. Dazu drei Becken mit heißem Wasser. Wir verlieren nicht viel Zeit und legen uns in die heißen Pools, die von einer 86°C heißen Quelle in der Nähe gespeist werden. Allerdings ist der kälteste Pool der einzige der mir erträglich ist – mit 42°C. Der heißeste hat sogar 44,6°C.
Hier treffen wir auf andere Reisende. Zwei Studenten aus Großbritannien und eine aus Deutschland, die sich einen Jeep mit Fahrer gemietet haben und damit die Mongolei relativ eigenständig erkunden. Das kostet sie pro Person 500$, Essen und Unterkunft allerdings noch nicht inkludiert. Die Deutsche lebt ebenfalls in München und hat schon fast jedes Land der Welt bereist – keine Ahnung wie und wann. Aber anscheinend kommen alle Deutschen, die wir treffen aus dem schönen München. Nein, halt, nicht ganz – ein Tourenmanager aus Göttingen meldet sich zu Wort. Wir unterhalten uns eine Weile miteinander und verlassen das heiße Bad nach etwa 1,5h als unsere Haut schon ganz schrumpelig ist. Wir ruhen aus, entspannend, schauen uns die heiße Quelle selbst an, deren Dampf wir unweit von unserer Jurte aufsteigen sehen. Diese ist leider eher unspektakulär, da von Betonmauern und Leitungen umgeben.
Um 19:30 Uhr gibt es Abendessen, dieses Mal nicht von Mogi gekocht, sondern im Restaurant. Salat, Hackbällchen mit Reis und Joghurt zum Nachtisch. Es schmeckt sehr gut, aber ein bisschen Platz ist noch im Magen. Eine Weile nach dem Abendessen gehen wir erneut alle zusammen in die heißen Pools – diesmal ist der größte Pool deutlich kälter und mit etwa 37°C sehr angenehm. Hier verbringen wir die Zeit bis es dunkel wird, trinken ein Bier und entspannen. Leider zeigen sich keine Sterne, da der Himmel bewölkt ist.
Für morgen kündigt Mogi das erste Mal „good road“ an, was uns nach all den Tagen „tomorrow bad road“ sehr überrascht. Wir hoffen auf einen Tag mit weniger Autoschaukeln.
Die historische Stadt Karakorum
Heute steht die alte Stadt Karakorum und die Fahrt zu den Sanddünen von Mongol Els, eigentlich Elsen Tasarkhai genannt, auf dem Programm. Heute beeindruckt uns das Frühstück, dass neben der üblichen Marmelade mit Weißbrot auch Joghurt, Müsli, Mongolische Butter und Brot bietet. Von den Hotsprings sind es heute nur zwei Stunden Fahr nach Kharkhorin. Die ersten 50km sind gewohnt schaukelig, zurück über die Flüsse, dann erreichen wir das erste Mal seit Tagen wieder geteerte Straße auf der wir nur so dahinfliegen. Auf dem Weg begegnen wir einem toten Pferd auf der Gegenfahrbahn… Schwer vorstellbar, dieser Unfall. Und die Tatsache, dass das Pferd dort einfach liegengelassen wird.
Karakorum war eine Art Basislager für Dschingis Khaan, dessen Sohn und Nachfolger Ögedei daraus die Hauptstadt Karakorum erbauen ließ. Tatsächlich lebten aber nur wenige Mongolen in der Haupstadt – die meisten blieben mit ihren Jurten einige Kilometer außerhalb der Stadt. Größtenteils war die Stadt von Handwerkern, Akademikern und Geistlichen bewohnt. Nur 40 Jahre später wurde die Hauptstadt nach Peking verlegt. Karakorum wurde dann 1388 von Mandschurischen Soldaten zerstört. Das wenige das von der einsteigen Haupstadt übrig blieb, wurde im 16. Jahrhundert für den Bau des großen Klosters Erdene Zuu Khiid verwendet, das wiederum durch die Sowjets zerstört wurde. Kharkhorin ist der Name der modernen Stadt, die sich in einigen Kilometern Entfernung vom Kloster befindet.
Wir besuchen die verbliebenen und wieder aufgebauten Tempel des Klosters Erdene Zuu Khiid, das ehemals 60 bis 100 Tempel, 300 Jurten und bis zu 1.000 Mönche beheimatete. Nur drei Tempel überlebten die Stalinistische Säuberung. Viele Mönche wurden getötet oder in Gulags deportiert. Seit 1990 ist das Kloster wieder geöffnet. Auf dem Gelände von Erdene Zuu Khiid ist ein Museum enthalten und mit dem Kauf eines Tickets für das Museum bekommt man einen englischsprachigen Führer zur Seite gestellt. Die drei Tempel, die hier zu sehen sind, symbolisieren die drei Phasen vom Leben Buddhas: Kindheit, Jugend und Erwachsensein. Neben den Tempeln gibt es die üblichen Gebetsmühlen, eine weiß-goldene Stupa und den aktiven Teil des Klosters mit dem im tibetischen Stil erbauten und Gebetsflaggen versehenen Tempel Lavrin Süm, wo täglich Gebete abgehalten werden.
Außerdem kann man das Fundament von einer riesigen Jurte sehen, die 1639 zu Ehren von Zanabazar, dem ersten mongolischen buddhistischem Oberhaupt und berühmten Bildhauer, errichtet wurde und 15m hoch, im Durchmesser 45m groß war und über 300 Leute unterbringen konnte.
Hier lerne ich unter anderem, dass mongolische Schüler nach wie vor neben der kyrillischen Schrift die alte mongolische lernen müssen, die vertikal verläuft. Wir schauen uns das Gelände in Ruhe an bevor wir uns nach draußen zu den zahlreichen Souvenir- und Essenständen begeben. Heute essen wir hier zu Mittag und während wir warten, stöbern wir durch die Geschäfte, die neben den üblichen Souvenirs auch eine Modern Talking CD im Angebot haben. Wir setzen uns von einem Restaurant ins andere bis wir endlich das gewünschte bekommen – Kushur. Vielleicht konnten oder wollten die anderen die erforderliche Menge für uns alle nicht herstellen? Jedenfalls hat am Ende jeder drei der Teigtaschen mit gehacktem Schafsfleisch gefüllt vor sich stehen.
Wir fahren zum Supermarkt um neues Wasser zu kaufen. Nebenan befindet sich der Markt, wo wieder alles verkauft wird. Neben Kleidung, getrockneten Milchkeksen, Kabeln und Sätteln auch alle Teile einer Jurte. Eine Jurte kostet umgerechnet etwa 500 Euro, dazu kommt Isolation und Einrichtung. Ein Schnäppchen für ein ganzes Haus, ich will eine Jurte!
Die Mini-Gobi
Dann fahren wir noch etwa eine Stunde in das Khögno Khan Uul Nature Reserve, wo sich die Sanddünen Mongol Els befinden, die sich 70km lang erstrecken. Sie sind bei weitem nicht so beeindruckend wie die in der Gobi, Khongoryn Els, aber ein schönes Ziel, wenn man nicht so weit fahren mag. Es ist sehr bewölkt und windig als wir ankommen, weshalb wir die Dünen nicht in ihrer vollen Pracht genießen können. Zuerst reiten wir auf Pferden Richtung der Dünen. Es ist der beste Ritt den ich bisher in der Mongolei hatte. Mogi ist so besorgt um uns, wir sollen ja vorsichtig sein :)
Ich darf von Anfang an alleine reiten und ich genieße es sehr. Jetzt – beim fünften Ritt in der Mongolei – weiß ich langsam wie’s geht und habe Spaß mit meinem Pony. Ich trabe etwas neben den anderen her, wenn ich zu weit zurückzubleiben drohe. Wir reiten durch den Sand der Dünen. Ich fühle mich wie am Strand, der Wind weht durch meine Haare – es ist herrlich!
Danach wollen wir die Dünen zu Fuß erkunden. Kaum sind wir am Parkplatz stürzen sich viele große Kamele und deren Führer auf unseren Bus. Sie verkaufen 10-minütige Kamelritte für 5.000 MNT. Alex ist sofort überzeugt – er mag die wenig eleganten, aber sehr lustigen und entspannten Tiere sehr. Und ich darf ihn führen! So reitet er auf dem Kamel, während ich es durch die Gegend führe. Wir überlegen kurz ob wir uns mit dem Kamel auf und davon machen sollten :) Das Kamel ist so weich und flauschig, ganz anders als die Kamele bei Khongoryn Els, die nebenbei auch weniger gesund aussahen als die hiesigen. Die Kamele hier haben aufrechte, pralle Höcker, schönes Fell und der Nasenring sieht deutlich besser aus. Hier haben wir ein besseres Gefühl dabei.
Dann erkunden wir die Dünen, die deutlich kleiner und auch grüner sind als die in der Gobi. Trotzdem laufen wir bis auf einen großen Sandhügel. Hier ist das Laufen im Sand bergauf schon deutlich schwieriger, denn der Sand ist trocken und gleitet unter unseren Füßen hinab. Dafür macht der Abstieg umso mehr Spaß. Inzwischen sind wir sehr hungrig und bekommen auch sofort in der Jurte unser Abendessen – typisch mongolisch mit Reis und Schaf. Ich bin hungrig genug, dass mir das Schaf heute nichts ausmacht. Es ist die letzte Nacht unserer Tour, morgen fahren wir zurück nach Ulan Bator.
Wir werden Mogi vermissen, die auf fast jede Frage mit „Maybe“ antwortet, meistens „bad road“ und gegen 13 Uhr immer „Lunchtime!“ verkündet oder stets besorgt fragt „Are you hungry?“. Aber auch Benoît, Marie-Line, Diogo und Mario sind uns ans Herz gewachsen. Wir waren eine tolle Gruppe!