Der Stubaier Höhenweg ist ein Alpen-Erlebnis par excellence. Der Weg führt uns an vielen 3.000ern der Stubaier Alpen vorbei, von denen einige ohne Gletscherberührung zu besteigen sind. Die gesamte Runde ist in sieben bis neun Tagen zu bewältigen, wir gehen vier davon: von Neustift im Stubaital zur Innsbrucker Hütte und runter am Grawa Wasserfall an der Grawa Alm. Dabei nehmen wir den ein oder anderen Gipfel mit, für die allein sich die Reise bereits lohnt.
Inhaltsverzeichnis
ToggleTag 1 – Neustift, Ortsteil Neder bis Innsbrucker Hütte (2.369 m)
10,7 km / 1.400 hm / 3 h
Wir sind bereits am Vortag angereist und haben auf einem Campingplatz in Neustift übernachtet, um früh starten zu können und gegebenenfalls noch einen Gipfel mitnehmen zu können. Leider lässt das Wetter zu wünschen übrig, weshalb wir es nicht allzu eilig haben, früh loszukommen. Wir warten, bis der Regen aufhört, und starten erst dann. Wir parken unser Auto an der Busstation vom Ortsteil Neder. Von hier aus bringt einen auch ein Hüttentaxi bis zur Karalm. Wir bevorzugen es aber zu laufen.
Wir steigen auf einem recht unspektakulären Forstweg steil durch das Pinnistal hinauf zur Pinnisalm und weiter zur Karalm, wo wir eine Pause einlegen und erneut aufkommenden Regen abwarten. Von hier aus geht es nun in freies Gelände hinaus und über Serpentinen über einen Sattel zur Innsbrucker Hütte. Alternativ kann man auch die Elferbahn auf den Elfer nehmen und von dort herüberlaufen. Von der Hütte ist es möglich, den Habicht, die Kalkwand und die Ilmspitze zu besteigen. Heute ist das Wetter aber zu schlecht, weshalb wir in der trockenen Hütte bleiben und uns die Besteigung des 3.277 m hohen Habichts für morgen aufheben, wenn das Wetter dazu taugen sollte.
Tag 2 – Abstecher: Innsbrucker Hütte zum Habicht (3.277 m)
4,8 km / 900 hm / 5 h
Tatsächlich strahlt heute die Sonne vom Himmel, weshalb wir den Habicht in Angriff nehmen. Hier im Stubai ist es möglich, auf mehrere 3.000er zu steigen, ohne über nennenswerte Gletscher gehen zu müssen. Dennoch hat es letzte Nacht ein wenig geschneit und wir wollen schauen, wie weit wir kommen können. Der Aufstieg erfolgt direkt von der Hütte erst wenig steil bis zum Felsmassiv. Hier geht es nun teilweise mit Drahtseilen versichert, teilweise über leichte Kletterstellen und über Geröll, Platten und Blockwerk hinauf.
Viele andere hatten die gleiche Idee für den heutigen Tag und sammeln sich an den Kletterstellen. Tatsächlich hat es recht ordentlich geschneit, was erschwert, was ich normalerweise unter Genusskletterei verstehen würde. Das wird beim Abstieg sicher noch spannend. Wir erreichen das Vorgipfelplateau und das Schneefeld, die Überreste des ausgeaperten Habichtfernes, liegen vor uns. Das Schneefeld ist recht flach, spaltenfrei und lässt sich leicht überwinden. Erst danach geht es auf den deutlich erkennbaren Gipfel zu. Der Gipfelgrat ist abermals mit Drahtseilen versichert, und nach ein wenig Kletterei stehen wir oben. Der frei stehende Gipfel überragt die umliegenden Berge um mehr als 100 Meter und bietet daher einen großartigen Rundumblick auf die Stubaier Alpen und die Zillertaler Alpen.
Wir genießen lange die Aussicht, die wir uns mit vielen anderen Menschen teilen. Darunter auch eine Familie mit zwei jungen Mädchen und Hund, die allesamt ohne Schwierigkeiten hierhergekommen sind. Offenbar machen sie das nicht zum ersten Mal. Die jungen Mädchen werden dann sogar von den Eltern allein hinuntergeschickt, weil die am Gipfel recht zappelig sind. Bin mir nicht sicher, ob ich meine Kinder allein da runter schicken würde, so leicht ist es durch den Schnee nun nicht, und Absturzgefahr ist durchaus vorhanden. Entweder werden aus den Mädels konditionsstarke Bergsteigerinnen oder sie haben irgendwann gar keine Lust mehr auf Berge.
Wir steigen ebenfalls ab, was doch etwas leichter ist als befürchtet, da der Schnee mittlerweile zu einem guten Teil geschmolzen ist oder durch viele Füße matschig zertrampelt wurde. An der Hütte gönnen wir uns ein stärkendes Mittagessen, bevor wir uns entschließen, heute noch weiter bis zur Bremer Hütte zu gehen.
Innsbrucker Hütte bis Bremer Hütte (2.413 m)
10,4 km / 900 hm / 3,5 h
Damit liegt jetzt zwar noch ein Weg von 850 Höhenmetern im stetigen Auf- und Abstieg und eine angegebene Zeit von 7 Stunden vor uns, aber wir sind noch fit und können die angegebenen Zeiten meistens deutlich unterbieten. Das Wetter sieht hervorragend aus und wir haben eine Reservierung in der Bremer Hütte für heute Nacht. Also, auf geht’s!
Am Fuße des Habichts geht es leicht ansteigend, vorbei an einem kleinen See, zum vor uns liegenden Scharte. Nach Erreichen dieser mit Steinmännchen versehenen Scharte geht’s wieder abwärts und zum zweiten Anstieg auf die Pramarspitze (2.511 m). Ein paar letzte Wanderer kommen uns abgekämpft aus der Gegenrichtung entgegen. Sie sagen, sie wären bereits seit früh heute Morgen unterwegs und können kaum glauben, dass wir jetzt noch starten. In der weiten Ferne können wir bereits die Bremer Hütte sehen, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Erst mal geht’s wieder abwärts. Der Abstieg durch die Wasenwand ist seilversichert und wir queren danach eine lange Senke, wo wir auf die letzten Wanderer aus der Gegenrichtung treffen. Hoch über dem Gschnitztal, auf das wir die ganze Zeit über schöne Blicke haben, sowie auf die gegenüberliegenden Felswände.
Über Blockwerk geht’s dann zum dritten Anstieg hinauf zum Trauljöchl und danach – ihr ahnt es schon – wieder einmal bergab. Wir kommen am Lauterer See vorbei und queren weit nach rechts, bevor wir den letzten Anstieg durch einen etwa 30 m hohen Kamin mit Drahtseilen und mit Steigbügeln gesichertem Kamin zur Hütte bewältigen.
Es gibt auch einen alternativen Anstieg über einen links am See verlaufenen Weg, der jedoch erst einmal bergab führt, bevor man sich auf den Gegenanstieg zur Hütte begibt. Für weniger trittsichere oder vielleicht müde Wanderer aber dennoch vorzuziehen. Die Bremer Hütte liegt idyllisch an einem winzigen See mit fantastischer Aussicht auf die umliegende Bergwelt und auch den Habicht. Wir kommen pünktlich zum Abendessen an. Mir geht’s super und ich bin euphorisch, dass ich die 1.750 hm so gut und flink bewältigt habe. Offenbar bin ich in einer ziemlich guten Form, das viele Radfahren in die Arbeit hat einen guten Beitrag geleistet. Alex hängt hingegen schon ein wenig die Zunge auf den Boden.
Tag 3 – Abstecher: Innere Wetterspitze
3 km / 700 hm / 3 h
Auch heute strahlt die Sonne wieder vom blauen Himmel. Alex ist noch immer gebeutelt von dem langen Tag gestern, ich bin aber hoch motiviert, die Innere Wetterspitze mitzunehmen, bevor wir zur nächsten Hütte weitergehen, die in nicht allzu großer Entfernung liegt. Die Innere Wetterspitze ist 3.053 m hoch und ebenfalls ohne Gletscherberührung zu besteigen, dennoch ist es eine anspruchsvolle und luftige Tour mit Kletterstellen im I bis II. Grad. Es sind 700 hm und 2 Stunden zum Gipfel.
Wir steigen die steilen Serpentinen durch Schrofengelände hinauf. Schon bald zeigt sich jedoch, dass es Alex zu viel wird. Ehrgeizig wie ich bin, mag ich nicht umkehren, und dränge zum Weitergehen. Es ist heiß und kurz darauf will Alex zurück zur Hütte gehen, ihm geht es nicht gut. Ich will es allein weiter versuchen, was nicht unbedingt auf Gegenliebe stößt. Dennoch versuche ich es, denn Pläne zu verwerfen, fällt mir schwer. Ich gelange nach weiterem kurzem Aufstieg zur Aussichtsscharte auf 2.780 m. Der weitere Weg führt über den Ostgrat durch exponiertes Schrofengelände, in dem sich teilweise fußbreite Tritte in senkrechter Neigung befinden. Dann geht es durch eine Rinne weiter zu einer schrägen, ausgesetzten Felsplatte, die jedoch mithilfe eines Drahtseils überwunden werden kann. Mir wird es mulmig zumute.
Ich war noch nie in einem solchen ausgesetzten Gelände allein unterwegs und es schleichen sich Zweifel ein, ob das wirklich so klug ist. Dazu kommt ein schlechtes Gewissen, dass ich nicht mit Alex abgestiegen bin, sondern es einfach nicht lassen konnte. Es folgt ein weiteres Stück Schrofengelände, von wo aus es nun direkt am Grat nach links in die Flanke geht. Ich merke, dass ich unsicher werde, und beschließe, auf mein schlechtes Gefühl zu hören und es sein zu lassen. Daraufhin entscheide ich mich umzukehren und taste mich abwärts, was noch einmal eine ganz andere Herausforderung ist, vor allem jetzt, da ich mir eingestanden habe, dass es mir allein zu wild ist. Ich gelange aber wohlbehalten ins Gehgelände zurück und begebe mich zurück zur Hütte, wo Alex bereits wartet.
Bremer Hütte bis Nürnberger Hütte (2.297 m)
5,8 km / 500 hm / 3,5h
Wir trinken etwas und tauschen uns über unsere Gefühle bei der Tour aus. Ich war mal wieder zu ehrgeizig und habe zu sehr gedrängt, und wenig später habe ich die Quittung dafür bekommen. Ob ich jetzt daraus gelernt habe? Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Die Erfahrung zeigt mir, dass es immer wieder zu solchen Situationen kommt, wenn der Tourenpartner nicht mehr mitmacht und ich schwer von meinen Plänen ablassen kann, obwohl es vernünftig und kameradschaftlicher wäre, mit abzusteigen.
Wir starten nun die eigentliche heutige Tagesetappe des Stubaier Höhenwegs zur Nürnberger Hütte. Wir gehen den gleichen Weg zur Inneren Wetterspitze, um dann weiter geradeaus zu gehen. Der Weg führt bald durch steileres, felsigeres Gelände zum Simmingjöchel auf 2.754 m und dem alten Zollhaus auf ihm. Vor uns liegen ein grandioser Rundblick auf die Stubaier Alpen und ein langer serpentinenreicher Abstieg. Einzelne Passagen sind gesichert und führen uns hinab zu einem Gletscherbach, der sich in kleinen Wasserfällen in ein grünes, mit Wollgras bedecktes Tal ergießt, wo sich einzelne flache Seen bilden.
Wir nutzen diese Wasserstellen für ein Bad. Das Wasser ist eiskalt, aber es ist wohltuend, sich den Schweiß der letzten Tage abzuwaschen. Es folgt eine lange, leicht aufsteigende Querung, um nicht weiter absteigen zu müssen auf die andere Seite. Erst dann wird es flach und wir gelangen zur Nürnberger Hütte, die bereits im Schatten liegt. Von hier kann man zum Wilden Freiger aufsteigen, einer schönen Hochtour auf 3.418 m.
Tag 4 – Nürnberger Hütte über Mairspitze (2.781 m), Sulzenau Hütte (2.191 m) bis ins Tal (Grawa Alm)
10,5 km / 580 hm / 4,5h
Heute ist der letzte Tag unserer Tour und wir planen erst mal den Anstieg bis zur Mairspitze, von wo aus wir dann entscheiden, wie wir weitermachen. Wir folgen den Schildern zur Sulzenauhütte und erreichen nach kurzer Zeit die Abzweigung zur Mairspitze. Alternativ kann man über das Niederl gehen, das kürzer ist, aber uns geht es ja um den Gipfel. Mit schönen Tiefblicken geht es in Serpentinen steil bergauf, bis es kraxeliger wird. Die Sonne kommt hinter den Berggipfeln gegenüber hervor und taucht die Szenerie in schönes Licht. Kurz geht es durch eine kleine Mulde, bis wir auf den Gipfel der Mairspitze gelangen. Der Blick fällt auf viele Seen, den Wilden Freiger, das Zuckerhütl und den Wilden Pfaff.
Beim Auspacken meiner Hardshelljacke, weil der Wind hier oben ordentlich pfeift, macht sich meine geliebte Merinoweste selbstständig und rollt unaufhaltbar Richtung Abgrund. Ich gebe noch nicht alle Hoffnung auf, sie vielleicht unten wiederzufinden. Wir haben aber auch schon vorher entschieden, den Gipfel zu überschreiten und weiter zur Sulzenau Hütte zu gehen, um von dort abzusteigen, statt den gleichen Weg wieder zurückzugehen und dann abzusteigen, da es gleichlang zu sein scheint.
Der Abstieg führt uns durch steiles Geröll bis zum Fuße des Bergs, wo ich mich auf die Suche nach dem kleinen Merinowestenpäckchen begebe. Die Bergziegen, die hier einsam im Geröllhang stehen, sehen mich erstaunt an, können mir aber offenbar keine Auskunft über den Verbleib meiner Weste geben. Das Gelände ist unwegsam und die Weste könnte praktisch überall hängen geblieben sein, weshalb ich es aufgeben muss, sie wiederzufinden. Wir gehen also weiter und überlassen die Weste den Gamsen. Wir gelangen zum wunderschönen Grünausee, der in einer surrealen Farbe zu Füßen des Wilden Freigers liegt. Ein paar Wanderer haben das Potenzial erkannt und ihr Zelt an seinen Ufern aufgeschlagen. Einer der schönsten Zeltplätze in den Alpen, würde ich vermuten, Waschplatz inklusive.
Wir gehen weiter bergab und hinüber zur Sulzenau Hütte, Ausgangspunkt für viele hochalpine Touren, z. B. aufs Zuckerhütl, wo wir bereits im Winter waren. Wir stopfen uns mit Germknödeln voll, bevor es Richtung Tal weitergeht. Es brauen sich dunkle Wolken in dem Tal zusammen, in das wir müssen, und wir rechnen damit, in einen Regenschauer zu kommen. Wir machen uns flink an den Abstieg in Serpentinen und an Wasserfällen vorbei, die der Sulzenaubach bildet. Wir gelangen zur mit Kühen beweideten Almwiese und der Sulzenaualm, an der wir flach vorbeigehen, um den letzten Teil des Abstiegs in Angriff zu nehmen. Die Regenwolken haben sich wieder verzogen und blauen Himmel freigegeben, aber offenbar hat es auf dem Teil des Abstiegs zum Grawa Wasserfall geregnet, denn der Weg ist glitschig und nass.
Zum Schluss führt er über Eisengitter und Stufen am Grawa Wasserfall entlang bergab. Hier haben sich auch einige Tagesausflügler eingefunden, die am Feiertag den Wasserfall besichtigen und bis zur Sulzenau Alm aufsteigen, was den Weg ordentlich überlaufen macht. Vorbei ist’s mit der Ruhe des Hochgebirges. Denn trotz seiner Beliebtheit hatten wir viel Einsamkeit auf unserer Tour, was sicherlich auch unseren Aufbruchszeiten zuzuschreiben ist. Trotzdem ist der gewaltige Grawa Wasserfall ein wundervoller Anblick und gebührender Abschluss für diese schöne Wanderung durch die Stubaier Alpen. Mit dem Bus fahren wir direkt zurück nach Neder, wo unser Auto auf uns wartet.
Kurzinfo Stubaier Höhenweg
Von Neustift bis Grawa Alm
Gehzeit: 4 Tage
Höhenmeter: 3.380 hm (ohne Habicht und Innere Wetterspitze)
Distanz: 37,5 km
Übernachtungsmöglichkeiten: Innsbrucker Hütte, Bremer Hütte, Nürnberger Hütte, Sulzenau Hütte
Ausgangspunkt: Neustift, Ortsteil Neder (980 m), Österreich
Endpunkt: Grawa Alm (1.540 m), Österreich
Schwierigkeit: T3 – anspruchsvolles Bergwandern
Side Quests
Besteigung Habicht (3.277 m)
Gehzeit: 5h
Höhenmeter: 900 hm
Ausgangspunkt: Innsbrucker Hütte
Schwierigkeit: T4 – Alpinwandern, I. Grad
Bergtour Innere Wetterspitze (3.053 m)
Gehzeit: 3 h
Höhenmeter: 700 hm
Ausgangspunkt: Bremer Hütte
Schwierigkeit: T5 – Alpinwandern, I-II. Grad















































































