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Tibet: Lhasa, das buddhistische Zentrum zwischen den Bergen

Tibet – ein Ort, von dem jeder eine Vorstellung hat. Eine Vorstellung von den höchsten Bergen der Welt, von buddhistischen Klöstern und eine wage Vorstellung von einem Leben unter chinesischer Besatzung. Ein tibetischer Spruch lautet „The more you travel, the more you see and hear“. Wir wollen für uns selbst sehen was Tibet wirklich ausmacht. Und wenn die Tibeter nicht reisen dürfen um mehr zu sehen und zu hören, dann wollen wir ein bisschen von der Außenwelt nach Tibet bringen. Westlicher Tourismus ist in diesem Sinne ein gutes Mittel um Zeugnis von diesem wunderbaren und doch so traurigen Land abzugeben. Leider werden wir aus Budget-Gründen nur drei Tage lang die heilige Stadt Lhasa erkunden. Lhasa ist ein sehr spiritueller Ort, wo tausende tibetische Pilger die Tempel besuchen und umrunden – immerhin das Herz des tibetischen Buddhismus.

Seit 1965 steht Tibet offiziell unter chinesischer Führung, von den Chinesen die „friedliche Befreiung Tibets“ genannt, was schamloserweise gerade erst groß als 50 Jahre Befreiung gefeiert wurde. Dabei kann man keineswegs von einer friedlichen Befreiung Tibets sprechen. Tausende Menschen wurden getötet, tibetische Klöster zerstört. Die dunklen Zeiten sind etwas heller geworden, indem viele Klöster wieder errichtet wurden und eine begrenzte religiöse Freiheit eingeführt wurde.

Anreise nach Lhasa

Unser Flug nach Lhasa geht sehr früh am Morgen, weshalb wir bereits um drei Uhr nachts aufstehen müssen. Wir nehmen ein Taxi zum Flughafen, das schnell gefunden ist. Die Fahrt dauert auf den leeren Straßen nur 20 Minuten. Ich schlafe im Taxi ein, am Flughafen und dann im Flugzeug – das frühe Aufstehen fordert seinen Tribut. Schon bald sehen wir aus dem Fenster die schneebedeckten Gipfel des Himalayas. In nur zwei Stunden kommen wir in Lhasa, der Hauptstadt Tibets, an. Wir gehen durch die Sicherheitskontrollen und müssen unser Tibet Permit zeigen. Unser Fahrer erwartet uns mit einem Namensschild vor dem Flughafen und legt uns weiße Tücher um den Hals.

Dann fahren wir in etwa einer Stunde nach Lhasa. Der Weg führt uns über breite Flusstäler und an Bergen vorbei und hindurch. Einmal werden wir noch auf dem Weg kontrolliert, dann erreichen wir Lhasa und können erste Blicke auf den gewaltigen Potala Palast erhaschen, der über der Stadt trohnt. Der westliche Teil der Stadt sieht nicht anders aus als die anderen chinesischen Städte die wir bisher besucht haben, aber dann gelangen wir in den tibetischen Teil der Stadt. Hier ändert sich das Stadtbild, denn die Häuser sind im tibetischen Stil erbaut. Wir halten an einer Metzgerei, wo gerade ganze gehäutete Yaks verladen werden. Ein Mann holt uns von der Straße ab und führt uns durch verschlungene, autofreie Gassen zu unserem Guesthouse inmitten vom wuseligen tibetischen Barkhor Viertel.

Barkhor ist das verbliebene tibetische Viertel, das nur noch 4% der gesamten Stadt ausmacht. Der Rest ist chinesisch. Vor 1950 gab es nur eine kleine Stadt, die vor dem Potala Palast lag, und eine zweite kleine Stadt um den Jokhang Tempel herum – der Barkhor. Ursprünglich eine Stadt mit insgesamt 20.000 bis 30.000 Einwohnern hat die Stadt nun eine halbe Million Einwohner, wobei die meisten davon Chinesen sind. Die Größe der Stadt hat sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Lhasa hat sich in den letzten 20 Jahren vermutlich mehr verändert als in den tausend Jahren zuvor.

Erste Erkundung Lhasas

Wir schlafen für zwei Stündchen im Hostel und entdecken dann, dass man von der hiesigen Dachterrasse einen fantastischen Blick über die Altstadt bis zum Jokhang Tempel und dem Potala Palast hat. Dann gehen wir hinaus um Lhasa zu erkunden. Unser Hotel liegt in einer Seitenstraße, die zur Kora um den Jokhang Tempel führt, der als einer der heiligsten Orten im tibetischen Buddhismus gilt. Die Kora ist eine Pilgerung um den Tempel und wird immer im Uhrzeigersinn durchgeführt. Um sie zu betreten müssen wir erst durch eine der zahlreichen chinesischen Sicherheitskontrollen, die vor allem den Tibetern gelten… Wir wollen zum Barkhor Platz und folgen dem Pilgerweg bis zum New Mandala Restaurant, das eine Dachterrasse hat. Wir reihen uns zwischen den Pilgern ein.

Einige Gläubige knien nieder und strecken sich auf dem Boden aus, legen die Stirn an den Boden und falten die Hände. Dann gehen sie eine Körperlänge voran und legen sich wieder hin. Am Ende haben sie so die komplette Kora bewältigt. Einige haben eine ganz schwarze Stirn vom Boden. Viele tragen dabei Holzplatten an den Händen und Schürzen um sich vor dem Schleifen auf dem Boden zu schützen. Die meisten Pilger gehen aber um die Kora und tragen Handgebetsmühlen und Gebetsketten in den Händen. Um uns herum breitet sich der Rauch und Duft der Rauchopfer in weißen Öfen aus. Das alles erzeugt eine mystische Atmosphäre. Die Läden ringsrum verkaufen religiöse Artikel für den Pilger, der sonst schon alles hat. Alles geht in eine Richtung. Nur die chinesischen Sicherheitskräfte und das Militär bewegen sich absichtlich und Marschkommandos brüllend in die falsche Richtung. Diese Respektlosigkeit macht uns wütend.

Wir erreichen den Barkhor Platz und den Eingang vom Jokhang Tempel, wo viele Pilger beten. Hier legt man sich ebenfalls nieder und betet in Richtung des Tempels. Wir gehen auf die Dachterrasse des New Mandala Restaurants, wo es neben tibetischem Essen auch nepalesisches und indisches gibt. Von der Dachterrase haben wir einen weiten Blick auf den Barkhor Platz und den Jokhang Tempel. Der faszinierende Blick ist jedoch getrübt.

Auf jedem Haus wehen chinesische Fahnen, die Sicherheitskontrollen, der Anblick des Militärs, das auf einem Dach Übungen vollzieht und ein Propagandafilm, der auf einem großen Screen vor dem Platz läuft, und glückliche und stolze Tibeter vor chinesischem Fahnen zeigt, hinterlässt gemischte Gefühle. An einer Ecke des Barkhor Platzes gibt es eine Filiale der chinesischen Fastfoodkette Dicos, die man sich echt hätte klemmen können. So ist man in Lhasa stets hin und her gerissen – Zwischen Fasznitation für diesen spirituellen Ort und  dem Ärger über das Unverständnis und die Respektlosigkeit der Chinesen.

Erkundung des Barkhors, dem tibetischen Viertel Lhasas

Nach dem Mittagessen folgen wir der Lonely Planet Walking Tour durch den Barkhor. Wir gehen zurück auf die Kora um dann von ihr abzubiegen. Wir kommen an Geschäften vorbei, die Dried Curds, Fleisch, Brot und vieles mehr feilbieten. Die Produkte erinnern uns an die Mongolei, eine Kühlung gibt es nicht. Wir besuchen den Tromsikhang Markt, eine Halle in der es wirklich alles gibt und an russische Shopping Malls erinnert, und das kleine tantrische College Gyüme Tratsang, das einst über 500 Mönche beiheimatete und ein sehr wichtiges Kloster war. Während der Kulturrevolution Maos wurde das Kloster stark geplündert, es leben aber nun wieder einige Mönche hier.

Wir gehen weiter zum Karmashar Tempel, dem Hauptorakel in Lhasas – man opfert ihm Tsampa und Bier. Es ist ein dunkler Tempel, der jedoch sehr atmosphärisch ist. Wir gehen zum Lhasa Village Crafts, was sich in einen Innenhof mit vielen Handwerkern, die Figuren für die Tempel bauen, befindet. Hier gibt es auch einen Souvenirshop, der schöne handgemachte Produkte anbietet. Obwohl wir ein Bonbon bekommen, kaufen wir nichts.

Wir gelangen in das Muslimische Viertel, wo die Frauen Kopftücher tragen und die Männer Kappen. Ich werde wohl etwas irritiert angeschaut, weshalb ich mir meine warme Jacke überziehe um meine Schultern zu verdecken. Das ist vielleicht sogar unangenehmer als angestarrt zu werden, aber ich mag nicht respektlos erscheinen.

Wir besuchen die kleine Lho Rigsum Lhakhang Kapelle. Am Eingang sitzt ein Mann, der unaufhörlich Mantras wiederholt. Im Inneren der Kapelle ist eine Kora um eine Tsepame Statue umringt von vier Bodhisattvas. Die Kora ist nur wenige Meter lang, der Gang ist eng und dunkel. Wir umrunden die Kapelle drei mal, um uns herum hören wir die Mantras der Pilger, die hier mit ihren Handgebetsmühlen entlang wandern. Das ist sehr intensiv und nach kurzer Zeit meditativ und ein bisschen wie ein Trip. Man wird schnell davon eingenommen.

 

Erster Besuch am Potala Palast

Dann gehen wir vor zum Potala Palast vor, der sich etwa 2km westlich vom Barkhor befindet. Wir kaufen Postkarten und füllen unser Bargeld bei einer Bank auf. Nebenbei stöbern wir in zahlreichen Sport- und Outdoorgeschäften nach Schuhen für mich, da ich meine ja unfreiwillig in Chengdu zurückgelassen habe. Die Wanderschuhe werden auf die Dauer ganz schön warm. Meine Füße sind aber zu groß für die asiatische Auswahl in den Läden. Dabei stürze ich recht spektakulär über einen Stein, fliege durch die Luft und komme auf meinem rechten Knie auf, was sehr schmerzhaft ist. Das Gehen ist etwas erschwert und der Schreck sitzt tief. Ich muss mich erstmal setzen. Ich war total abgelenkt von einem Schild, sodass ich nicht nach unten geschaut habe, was immer eine schlechte Idee in Asien ist. Hans-Guck-in-die-Lüfte sind hier sehr verletzungsgefährdet.

Wir gehen durch eine Sicherheitskontrolle auf das Gebiet vom Potala Palast. Auch um den Potala Palast herum gibt es eine Kora. Sie verläuft an einer Mauer rund um den Palast und beinhaltet sehr viele Gebetsmühlen, die wir alle drehen bis uns der rechte Arm schmerzt. Wir genießen die Blicke von der Rückseite des Potala Palasts über einen See, der ebenfalls sehr eindrucksvoll ist, wenn auch nicht so eindrucksvoll wie der Blick von vorne.

Einst lag vor dem Potala Palast die kleine Stadt Shöl, nun gibt es hier einen riesigen Tiananmen-ähnlichen Platz mit einem 35m hohen Monument für die „Befreiung“ Tibets mit großen Bildnissen von Mao und seinen Nachfolgern. Ein Hohn, direkt gegenüber vom Potala Palast. Tribünen von der großen Feier zum 50-jährigen Jubiläum der „Befreiung“ Tibets erzählen noch von der Parade letzter Woche.

Wir gehen zurück zum Barkhor Platz um uns zum Abendessen zu begeben. Wir wählen das Lhasa Kitchen Restaurant aus. Ich esse Kartoffel Momos (eine Art Dumpling), was sehr lecker ist. Dazu gibt es Käsesuppe und Yak-Brot, eine Art Kebab. Außerdem Masala Tee und Lhasa Bier, das von der höchst gelegenen Brauerei der Welt stammt. Ich überprüfe hier mein Knie und stelle fest, dass es dick angeschwollen ist. Wir laufen über die Kora zurück. Die Gebäude und Gassen sind hell erleuchtet, was den Häusern einen goldenen Glanz gibt. Noch immer beten Pilger vor dem Tempel und Rauch steigt auf. Zurück im Hotel versorgen wir mein Knie und gehen zu Bett. Wir sind ganz schön müde von dem langen Tag.

Das Drepung Kloster

Um 9:30 Uhr erwartet uns unser Guide Korma am Guesthouse. Er ist Tibeter, 24 Jahre alt und bereits verheiratet. Er kommt aus einer Stadt zwei Stunden entfernt von Lhasa. Früher hat er Yaks in seinem Dorf gehütet. Er wird uns die nächsten zwei Tage Orte zeigen an die wir ohne Guide nicht gelangen können. Dazu gehören der Jokhang Tempel, der Potala Palast und die zwei Klöster Drepung und Sera. Außer uns besteht die Gruppe nur noch aus Mark, einem Engländer, der gerade in China arbeitet. Mark hat einen ziemlich coolen Job: Er wird an alle möglichen Orte der Welt geschickt, bisher schon 168 Länder, um dort die Kosten für den Lebensstandard zu ermitteln, was für Firmen gebraucht wird, die ihre Mitarbeiter ins Ausland schicken und deren Spesen berechnen müssen. So ist er etwa sechs Monate des Jahres in der Welt unterwegs.

Wir gehen wieder durch die wirren Gassen vom tibetischen Viertel bis zur Straße, wo unser Fahrer uns erwartet. Zuerst fahren wir zum Potala Palast, wo wir unsere Tickets für morgen reservieren, was dringend nötig ist. Es gibt ein Besucherlimit pro Tag und feste Zeiten, die eingehalten werden müssen. Unser Zeitfenster beginnt morgen um 13 Uhr.

Wir fahren weiter zur Drepung Monastery, die etwa 8km westlich der Innenstadt liegt, die am Fuße eines Berges liegt. Sie war einst eine der weltweit größten Klöster. Glücklicherweise hat der Großteil dieses Klosters die Kulturrevolution der Chinesen überlebt und es leben wieder ca. 600 von einst 7.000 Mönchen hier. Dreprung wurde 1416 von einem Schüler des Thongkhapas Jamyang Chöje gegründet und beiheimatete schon nach einem Jahr über 2.000 Mönche. Ein Jahrhundert später errichtet der zweite Dalai Lama einen Palast hier, der von nun an allen bis zum fünften Dalai Lama die politische und religiöse Basis bietete.

Das Gelände ist riesig und das Kloster wirkt mehr wie eine kleine Stadt. Man folgt auch hier wieder einer Kora im Uhrzeigersinn. Hier können wir die Wohnräume der ersten Dalai Lamas sehen. Das wichtigste Gebäude im Kloster ist die Versammlungshalle, die mit Thangka Malereien dekoriert ist und von 180 Säulen gestützt wird. Hier finden sich viele religiöse Statuen, darunter welche von fünf der Dalai Lamas. Pilger durchwandern die vielen Räume, in der Hand Thermoskannen voll heißer Butter um die Kerzen aufzufüllen, die aus Butter sind.

Das Fotografieren kostet hier 20 Yuan, die wir im Unwissen zahlen, dass für jede noch so kleine Halle neu bezahlt werden muss. So ist man bei den vielen Kapellen und Hallen schnell mehr Geld los als der Eintritt kostet. Das Englisch von Korma ist nicht perfekt, weshalb es schwer fällt ihm zu folgen. Dazu kommt unser Unwissen des komplexen Buddhismus und seiner zahlreichen wichtigen Figuren und Legenden. Die vielen Namen verschwimmen schnell.

Wir gelangen in eine Halle wo jeder ein weißes Tuch für 1 Yuan ersteht und dieses kurz darauf bei einer Statue ablegt. Da der aktuelle Dalai Lama abwesend ist, wird er mit weißen Tüchern symbolisiert.

Beim Weg aus dem Tempel hinaus sehen wir ein paar Tibeter, die etwa zwei Meter vor einem Loch in der Wand stehen. Sie zielen, schließen die Augen und gehen mit ausgestrecktem Finger auf das Loch in der Wand zu. Wer es trifft, dessen Leben befindet sich auf dem rechten Pfad. Keiner schafft es, sie nehmen es mit Humor. Es soll symbolisieren wie schwer es ist ein Leben auf dem rechten Pfad zu führen.

Wir fahren wieder zurück in die Innenstadt, nehmen dabei noch drei ältere tibetische Pilger aus einem weit entfernt liegenden Dorf mit, die sich in Lhasa nicht auskennen. Die Mittagspause verbringen wir wieder im New Mandala Restaurant.

 

Sera Kloster

Am Nachmittag steht das Sera Kloster auf dem Programm. Dieses Kloster befindet sich 5km nördlich von der Innenstadt Lhasas. Die Bevölkerung von einstmals 5.000 Mönchen wurde um 90% reduziert und noch immer werden Gebäude repariert. Das Sera Kloster wurde 1419 von einem weiteren Schüler Tsongkhapas gegründet. Wir besuchen die Hauptversammlungshalle mit ihren riesigen Thangka-Malereien und großen Statuen.
In einem Innenhof debattieren junge Mönche, womit sie täglich ein paar Stunden am Nachmittag verbringen. Es dient der Übung und Wiederholung bestimmter Themen den Buddhismus betreffend.

Sie debattieren immer paarweise – einer sitzt und der andere steht. Der Sitzende stellt eine Frage, die der Stehende beantworten muss. Sie debattieren heftig, Stimmen werden gehoben und es wird wild gestikuliert. Zur Argumentationsverstärkung klatschen die stehenden Mönche in die Hände, was eine Ganzkörperbewegung ist. Dabei schwingen sie ihre Gebetsketten um den Arm. Manche Paare diskutieren so heftig, dass ihnen die Anspannung ins Gesicht geschrieben steht. Andere lachen und haben Spaß daran. Schade, dass wir nicht verstehen können worüber sie debattieren.

Wir beobachten sie lange und gehen dann zum Ausgang des Tempels zurück. Auf dem Weg erklärt Korma uns, dass es verschiedene Mönche gibt: Debattierende, die immer im Kloster leben, solche die hinaus gehen und meditierende Mönche. Zwei von Kormas Brüdern sind Mönche, einer geht hinaus, der andere meditiert und lebt in einer Höhle. Man kann jederzeit Mönch werden und in ein Kloster ein-, aber auch wieder austreten.

Alte Fels- und Steinzeichnungen

Wir werden an unserem Hotel abgesetzt und wir machen uns alleine zum Chagpo Ri im Lokhang-Viertel auf. Wir laufen wieder Richtung Potala Palast und müssen etwas suchen bis wir die alten Fels- und Steinzeichnungen am Chagpo Ri finden. Chagpo Ri ist ein kleiner Berg, an dessen Fuße sich die Fels- und Steinzeichnungen von Buddhas, Beschützern und anderen Gottheiten befinden. Manche von den über 5.000 Zeichnungen sind mehr als 1.000 Jahre alt. Manche von ihnen sind frisch bemalt, andere bereits verblasst, sodass nur noch die Kratzer im Stein sichtbar sind. Die größte Zeichnung ist mehrere Meter hoch und zeigt Tsepame.

Es gibt auch eine große Stupa, auf tibetisch Chörten genannt. Viele Steinplatten sind hier zu einer großen Pyramide aufgeschichtet. Wir gehen an der Felswand mit den Zeichnungen entlang. Ab und zu ist ein kleiner Schrein zu sehen, wo Opfergaben dargebracht werden. Wir umrunden den Chörten und drehen die Gebetsmühlen. Es ist friedlich und ruhig hier, am Abend ist hier nichts mehr los und der Sonnenuntergang zaubert eine mystische Stimmung. Wir begegnen nur drei Pilgern, die wir freundlich mit einem „Tashi Delek“ grüßen.

Auf dem Weg zurück zur Straße kommen wir an Handwerkern vorbei die buddhistische Figuren und tibetische Schriftzeichen in Steinplatten ritzen. Wir gehen zurück zum Potala Palast, der hell erleuchtet ist. Mittlerweile ist es dunkel geworden und wir schauen den Palast von einem kleinen Aussichtspunkt neben der Straße an. Wie die Sardinen in der Dose stehen die Chinesen hier dicht gedrängt darauf. Wir erhaschen trotzdem ein paar schöne Blicke auf den großen Palast. Wir gehen noch Abendessen, was gar nicht so einfach ist, denn viele Restaurants haben bereits geschlossen. Schließlich kehren wir im Tibet Steak House ein, wo es mehr als nur Steak gibt. Zum Beispiel mega leckere Käsemomos.

 

Der Jokhang Tempel

Zum Frühstück besorgt Alex warmes Brot mit einer Honigfüllung und Dried Curds, die es auch hier wieder gibt. Im Gegensatz zur Mongolei sind sie hier aber steinhart und brauchen ewig im Mund bis sie genießbar werden. Und dann schmecken sie wie alte Lederschuhe. Am Morgen besuchen wir mit Korma den Jokhang Tempel, dem zentralen Heiligtum im tibetischen Buddhismus. Am Morgen ist hier sehr viel los: Zahlreiche Pilger beten vor dem Tempel, schwerer Rauch, der aus den weißen stupa-förmigen Öfen ringsrum aufsteigt, erfüllt die Luft rund um den Tempel. Vor dem Tempel wartet eine lange Schlange Pilger auf Einlass um die Tempel-Kora zu gehen. Wir zahlen im Gegensatz zu ihnen Eintritt und kommen schnell in den Tempel hinein. Im Tempel selbst herrscht großes Gedränge. Zahlreiche Pilger ziehen an den Wänden entlang und durch die kleinen Kapellen. Dazu noch vor allem chinesische Touristengruppen.

Wir betreten nur die wenigsten Kapellen aufgrund dieser Fülle von Menschen. In der Mitte der Halle steht die wichtigste Buddhastatue in Tibet, dahinter eine tausendarmige Chenresig-Statue (Avalokitesvara). Der Tempel wurde im 7. Jahrhundert von einem tibetischen König erbaut. Viel interessanter als all das ist aber die Atmosphäre in dem Tempel. Trotz des Gedränges ist es wunderschön. Das Licht fällt durch die Vorhänge in die Hallen, das Murmeln der Pilger hallt hindurch, der säuerliche Buttergeruch ihrer Thermoskannen liegt in der Luft und die ganze Stimmung ist sehr intensiv. Vom Dach des Tempels hat man eine schöne Aussicht über die Innenstadt – leider getrübt durch den direkten Blick auf eine chinesische Militärgruppe, die gerade Nahkampfübungen durchführen. In der Kulturrevolution wurde viel im Inneren des Jokhang Tempels geplündert, Teile vom Tempel wurden als Schweinestall verwendet.

Wir haben nun etwas Zeit bis zur Mittagspause und wollen ins Hotel zurück um die Speicherkarte meiner Kamera zu wechseln. Vorher gehen wir noch mit Korma zu dem Souvenir-Geschäft seiner Schwester, die ist aber gerade nicht da. Wir schauen noch ein bisschen rum bis wir uns erst einmal verabschieden. Auf dem Weg zurück zum Hotel verlaufen wir uns aber und kommen erst nach langer Suche dort an und damit zu spät zum verabredeten Zeitpunkt für’s Mittagessen. Irgendwie sieht immer alles anders aus – jede Tageszeit verändert alles komplett und wir gehen regelmäßig an unserer Abzweigung vorbei. Es ist schwer in diesem Gewusel die Orientierung zu behalten. Außerhalb der Kora sehen alle Straßen gleich aus. Nicht schlimm, wir haben genug Zeit. Wir essen in der Lhasa Kitchen Mittag bis wir zum Potala Palast aufbrechen.

Der Potala Palast

Der Palast wurde von einem tibetischen König im 7. Jahrhundert gebaut. Der fünfte Dalai Lama hat dann nochmal angebaut und seitdem ist es der Sitz der Dalai Lamas, zumindest bevor die Chinesen den aktuellen Dalai Lama vertrieben haben. Der Palast besteht aus einem roten und einem weißen Bereich und hat mehr als 1.000 Räume. Der fünfte Dalai Lama hat den weißen Palast 1645 erbauen lassen und ist daraufhin von der Drepung Monastery hierher gezogen. Der rote Palast kam später und wurde erst 12 Jahre nach dem Tod des fünften Dalai Lamas fertig gestellt. In den 12 Jahren wurde sein Tod geheimgehalten bis der rote Palast tatsächlich fertig gestellt war und sein Körper dort begraben wurde. Was auch immer sie 12 Jahre lang mit dem Leichnam angestellt haben…

Seitdem war der Potala Palast die Heimat der folgenden Dalai Lamas. Zumindest bis im späten 18. Jahrhundert der Norbulingka Sommerpalast gebaut und der Potala Palast nur noch zu einer Winterresidenz wurde. Der Potala Palast ist auch Sitz der tibetischen Regierung und mit seinen Kapellen, Schulen, Gefängnissen und Gräbern der Dalai Lamas war er wie eine eigene Welt. Während der Aufstände gegen die Chinesen in 1959 wurde der Palast glücklicherweise nur leicht beschädigt. Auch während der Kulturrevolution wurde der Palast verschont, da der chinesische Premierminister Zhou Enlai eigene Truppen geschickt hat um den Palast zu beschützen. Der Palast wurde 1980 wieder eröffnet.

Wir gehen die vielen Stufen hinauf zum Palast, den man nur für eine Stunde besuchen darf, was recht wenig Zeit für das große Gelände ist, auf dem man zweifellos auch einen ganzen Tag verbringen könnte. Erst auf halbem Weg hinauf kauft man die tatsächlichen Tickets, die wir tags zuvor reserviert haben. Zuerst besuchen wir den weißen Bereich, wo der Dalai Lama gelebt habt. Wir sehen Wartesäle wo sich die Gäste vor einer Audienz mit dem Dalai Lama aufgehalten haben, den Audienzraum selbst, den Thronraum, seinen Meditionsraum. Sein Schlafgemach das nur von drei Menschen betreten werden darf: Dem Dalai Lama selbst, seinem Meister und der „Putzfrau“.

Unser Führer Korma erklärt uns die Geschichte bis 1959, über alles was danach passiert ist, kann er nicht sprechen. Die chinesischen Führer erzählen ihre Version der Geschichte. Er kann seine Version nicht erzählen, da er dafür ins Gefängnis kommen könnte. Hier gäbe es zu viele Ohren die mithören. Auch schon am Jokhang Tempel hat man gemerkt wie sehr er junge Mann unter der chinesischen Besetzung leidet. Der Anblick der chinesischen Soldaten und Sicherheitskontrollen ist ihm verhasst.

Im roten Palast sehen wir die Throne vergangener Dalai Lamas und ihre reichlich pompösen Gräber. Besonders ist hier das Grab des fünften Dalai Lama zu erwähnen. Es besteht aus mehreren Tonnen Gold. Wir sehen reich verzierte Modelle, sogenannte dreidimenionale Mandalas von den drei tantrischen Gottheiten der Gelugpa Ordnung. Sie sind Meditionskarten für den Geist. Dieser Bereich des Palasts ist religiöser als der weiße. Wir kommen an Statuen von Göttern, Beschützern und Buddhas vorbei. Außerdem gibt es Statuen von den verstorbenen Dalai Lamas, die nach ihrem Tod angefertigt werden.

Wenn der 14. Dalai Lhama sterben sollte, wird es keine Statuen und Bilder von ihm hier geben. Hat er überhaupt einige Chance einen Nachfolger zu bestimmen? Die chinesische Regierung muss die Wahl des Nachfolgers abnicken, was sie sicher nicht tun werden, da der Dalai Lhama als Terrorist propagiert wird. Das heißt wohl, dass der Dalai Lhama keine andere Wahl hat, als jemanden außerhalb Tibets zu bestimmen, den die chinesische Regierung nicht anerkennen wird… Er selbst hat sogar gesagt, dass es gar keinen Dalai Lama mehr geben wird.

Wir sprechen kurz mit einem Mönch, er kennt München und Deutschland, hat Tibet aber noch nie verlassen. Ich frage Korma ob Tibeter wenigstens nach China reisen dürfen, immerhin gehört Tibet ja offiziell zu China, aber er verneint. Ich werde unglaublich traurig. Mitten im Glanz dieses Palassts werden wir von der bitteren Gegenwart eingeholt. Wir fragen uns ob je wieder ein Dalai Lama in diesen Hallen wohnen wird.

Nun kommen wir ans Ende des Palasts und die Stunde ist vorbei. Wir gehen die Treppen des Palasts hinunter und lassen das Gesehene auf uns wirken. Der Palast ist ein Wunderwerk von Architektur und man kann kaum die Augen von diesem riesigen Bauwerk wenden. Und dennoch wirkt er sehr leblos im Vergleich zum Jokhang Tempel. Der Palast liegt wie im Schlaf da, ist mittlerweile nur noch Museum. Ständig wird man daran erinnert, dass der Dalai Lama von den Chinesen vertrieben wurde. Es ist ironisch, dass nun so viele Chinesen den Palast durchwandern und bestaunen während die vorangegangen Generationen versuchten ihn zu zerstören. Angeblich werden ihnen von ihren Führern erzählt, dass der Palast von Chinesen erbaut wurde.

Norbulingka, der Sommerpalast

Wir fahren nach Norbulingka, dem Sommerpalast des Dalai Lamas. Der siebte Dalai Lama gründete den ersten Sommerpalast in Norbulingka, was „Schmuckpark“ bedeutet. Der 13. Dalai Lama baute dann drei weitere Paläste und der 14. Dalai Lama, also der aktuelle, baute den Neuen Sommerpalast. Der 14. Dalai Lama floh 1959 von hier als Tibetischer Soldat verkleidet. Alle Paläste wurden beim Angriff der Chinesen beschädigt während 30.000 Tibeter den Sommerpalast verteidigten um das Leben ihres spirituellen Führers zu schützen. Zuerst besichtigen wir den Palast des achten Dalai Lamas, wo 65 Thangkas hängen. Wenn ein Thangka wirklich soviel wert ist, wie Korma sagt, dann müssen hier Millionen hängen.

Wir kommen an einer kleinen Bühne vorbei, wo jährlich die tibetische Oper aufgeführt wird. Darüber gibt es ein kleines Fenster, von dem aus der Dalai Lama die Oper verfolgen konnte ohne selbst gesehen zu werden. Besonders beeindruckend ist aber der Neue Sommerpalast vom 14. Dalai Lama. Hier gehen wir durch seinen Audienzraum, der mit einem Wandgemälde verziert ist, der die Geschichte Tibets in 301 Szenen darstellt. Es folgen die privaten Gemächer des Dalai Lamas – sein Meditionsraum und das Schlafzimmer. Alles wurde so belassen wie der Dalai Lama es hinterlassen hat – inklusive dem alten Sowjet Radio neben seinem Bett. Komisch, die chinesischen Touristen hier herumwandern zu sehen, obwohl der Dalai Lama in ihren Augen ein Terrorist ist.

Ausklang unseres Tibet-Besuchs

Wir fahren zurück nach Barkhor und trinken einen Milchtee in einem kleinen Lokal, das Korma uns zeigt. Er verkehrt hier öfter und kennt viele Leute. Überhaupt scheint er die halbe Stadt zu kennen, immer wieder hält er für ein großes „Hallo“ an. Wir verabschieden uns von Korma und gehen zum Jokhang Tempel zurück. Nun wollen wir ein Fake Thangka kaufen, also statt einem echten Gemälde nur einen Druck davon. Wir finden ein schönes, was preislich mehr als erschwinglich ist im Gegensatz zu den echten Thangkas. Wir gehen ins Hotel zurück und auf dem Weg finden wir tatsächlich ein paar billige Schuhe, die an meine riesigen Füße passen. So ist das Problem erstmal gelöst und ich kann aus meinen dicken Wanderschuhen steigen.

Wir machen uns nochmal auf den Weg und trinken einen Masala-Tee auf der Dachterrasse vom New Mandala um das Treiben auf dem Barkhor Platz beobachten und ein paar Postkarten schreiben zu können. Dann begeben wir uns zum Abendessen in ein anderes Restaurant. Wir begegnen einer jungen, weitgereisten Chinesin mit der wir ins Gespräch kommen. Sie weiß gar nicht, dass man eine spezielle Erlaubnis benötigt, wenn man als Nicht-Chinese nach Tibet reisen möchte und eine Tour braucht. Heute war sie an einem schönen See zwei Stunden außerhalb Lhasas und rät uns hinzufahren. Sie kann es gar nicht glauben, dass wir Lhasa nicht verlassen dürfen ohne arrangierten Transport. So sieht man wieder das enge Weltbild, das den Chinesen vermittelt wird, obwohl sie gebildet sind und verreisen.

Danach wollen wir nochmal die Kora um den Jokhang Tempel laufen, was uns von allem am meisten beeindruckt hat. Sich einzureihen in die tibetischen Pilger ist immer wieder ein Erlebnis. Wir kaufen noch zwei Dosenbier und setzen uns auf die Dachterrasse unseres Hotels und sehen hinüber zum hell erleuchteten Potala Palast und dem Jokhang Tempel. So endet unser letzter Abend in Lhasa. Die Reise hierher hat sich definitiv gelohnt. Trotz der Schattenseiten, die wir hier erlebt haben, hinterlässt die Hauptstadt Tibets einen tiefen Eindruck bei uns.

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WIE MAN NACH TIBET KOMMT
Aktuell ist es Touristen nur möglich Tibet im Rahmen einer gebuchten Tour zu besuchen, was sowohl Guide und Fahrer umfasst. Nur in Lhasa kann man sich auch ohne Guide frei bewegen, außerhalb von Lhasa benötigt man für jeden Tag Guide, Fahrer und ein festes Tourenprogramm, von dem nicht abgewichen werden darf. Lhasa ist dadurch noch relativ günstig, außerhalb Lhasas belaufen sich die Kosten für solch eine Tour allerdings auf ca. 150 Euro pro Tag. Verschiedene Organisationen lassen sich über das Internet kontaktieren um eine Tour zu arrangieren. Wir haben Tibet Namchen gewählt.

Innerhalb einer Gruppentour, die aus einer angenehmen Größe von nur drei Personen besteht, bezahlen wir nur 265 USD pro Person. Wenn man zeitlich flexibel ist, ist es immer günstiger sich mit anderen Personen zusammenzuschließen bzw. sich einer Gruppentour anzuschließen. Die Tourenorganisation kümmert sich um das TTB (Tibet Travel Permit) für einen, ohne das man nicht nach Tibet gelangen kann.

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    Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeuten Wandern und Reisen für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt

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