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Budapest: Kurztrip in den sonnigen Osten

Wir entfliehen dem nasskalten Hamburger Sommer im Rahmen eines Spontantrips nach Budapest, der Hauptstadt Ungarns. Dem Land, dessen Konturen auf der Landkarte wie die eines Schnitzels aussehen (kein schlechtes Zeichen, wie ich finde).

Viel wissen wir nicht über unser kurzfristig ausgewähltes Ziel und sehen allen Abenteuern freudig entgegen. Vom Flughafen Hamburg-Lübeck sind Anika und ich nach 1,5 Stunden in Budapest und nach Erledigungen der Formalitäten machen wir uns zu einem ersten Spaziergang durch die Innenstadt auf. Die Sonne scheint als hätte sie nie etwas anders getan, der Himmel strahlend blaue, der erste Anblick der Donau – wunderschön. Die Buda Berge im Westen, die flache Ebene im Osten, die Donau alles miteinander verbindend. Dazwischen liegt wie eine Perle eingebettet Budapest. Ursprünglich bestehend aus zwei sich parallel entwickelnden Städten Buda und Pest, die später erst zu Pest-Buda, danach zu Budapest wurden. Zahlreiche Brücken verbinden die zwei Stadtteile westlich und östlich der Donau miteinander und eröffnen fantastische und romantische Ausblicke über die Donau und „Skyline“ – besonders bei Nacht. Wir lernen das System des Öffentlichen Nahverkehrs kennen und schätzen, lassen uns von Fahrkartenkontrolleuren an jeder Station kritisch beäugen und entfliehen einem heftigen Gewitterguss Richtung Hostel.

An den Ufern der Donau

Free Tour

Wir beginnen unseren ersten Tag mit einer bewährten Free Tour auf der Buda-Seite der Stadt. Über die stadtälteste Brücke gelangen wir auf die Westseite der Donau. Gekrönt wird die Széchenyi Kettenbrücke nicht nur von schönen Ausblick, sondern auch Zwillingstürmen und auf ihren schottischen Erbauer hinweisenden britischen Löwen.

Nun befindet man sich im Castle Hill Bezirk, der den Royal Palace, die Altstadt und die Fischerbastion beherbergt. Letzteres ist ein Sandsteinplateau, das 170m über der Donau thront und zum Unesco Weltkulturerbe gehört. Der 0 km Stein zu Fuße der Kettenbahn misst alle Entfernungen von oder zur Hauptstadt von diesem Punkt aus und wirkt wie ein gestreckter Donut. Ob nun mit der Sikló-Bahn oder zu Fuß über die Stufen nach oben – oben erwarten einen herrliche Panoramen über die gesamte Stadt.

Am Royal Palace verfolgen wir einen Wachwechsel und leiden mit den uniformierten Männern, die in der prallen Sonne ausharren müssen, bestaunen die große Matthias Kirche mit ihren bunten wie gestrickt wirkenden Dach.

Fischerbastion

Am besten gefällt mir die Fischerbastion. Mittelalterlich sieht sie aus, ist aber in Wahrheit nur zu dekorativen Zwecken 1905 erbaut worden. Die Fischermannsgilde war ursprünglich für die Verteidigung dieser Seite der Schlossmauern zuständig, was ihr ihren Namen gab. Die Atmosphäre aber stimmt mediterran-mittelalterlich, die Architektur erinnert mich an eine Sandburg und die Ausblicke von hier krönen diesen Eindruck.

Unsere Freetour-Führerin erzählt uns allerhand über Budapests Geschichte, die vor allem dadurch geprägt ist, sich immer auf die vermeintlich falsche Seite gestellt zu haben, und das Budapester Leben. Kaffehäuser und Thermalbäder sind ein fester Bestandteil der Kultur. In frühen Zeiten waren die pompösen Kaffeehäuser vor allem bei Schriftstellern und Dichtern beliebt, die jedoch oft arm waren. Ein anerkanntes Zahlungsmittel war es also mit einem Gedicht oder einer Novelle zu bezahlen. Wer sich talentiert fühlt, könne es auch heute noch damit versuchen. Weiterhin waren Kaffeehäuser 24/7 geöffnet, deren Schlüssel wurden symbolträchtig in die Donau geworden. Ein Kaffeehausbesuch wandert also auf unser Programm.

Blick auf das Parlamentsgebäude vom Castle Hill

Auch hat Budapest mehr als 100 Thermalquellen unter sich, die die zahlreichen Bäder und Spas mit heißem Wasser versorgen. Als wäre das nicht schon Ereignis genug, sind die Bäder selbst schon eine Reise wert. Prunkvolle Architektur im Art-Nouveau oder türkischem Stil machen das Baden zu einem großen und sich luxuriös anfühlenden Erlebnis. Die reicheren Menschen gingen früher in diese öffentlichen Bäder um sich zu waschen, Männer und Frauen an getrennten Tagen, heute ein beliebter Lebensmittelpunkt für jung und alt – sowohl zum Vergnügen als auch für die Gesundheit. Dem Thermalwasser wird eine heilende Wirkung nachgesagt.

Das Gehalt der Menschen hier liegt nur bei 400-500€ im Monat, was der Grund für eine große Auswanderungswelle ist, insbesondere bei Ärzten und Fachkräften. So fällt es den Ungarn schwer ihre Wirtschaft anzukurbeln und den Tourismus und dessen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Wenn die kreativen und schlauen Köpfe das Land verlassen, bleiben nur wenige übrig. Auch die Inflationsrate ist hoch. Hier hantiert man mit großen 10.000 HUF Scheinen und kleinere Münzen wie 10 HUF sind bei 1€ = 300 HUF so gut wie nichts wert. Wahnsinnig günstig sind die Dinge hier trotzdem nicht, weshalb die Leute oft drei bis vier Jobs haben um sich über Wasser zu halten. Da bekommt man plötzlich einen anderen Blick auf die eigenen Überstunden.

Wir verarbeiten die Fülle an Informationen bei einem Eis auf der Parkbank und statten uns mit Obst auf dem Markt aus um im Millennium-Park in der Sonne zu chillen und Kirschkerne weitzuspucken.

Budapester Obstmarkt

Thermalbad Széchenyi

Des Abends machen wir uns in das Thermalbad Széchenyi im Stadtpark auf, wo wir unsere vom vielen Laufen müden Glieder in bis zu 39°C warmen Wasser eintauchen und die gigantische Hochzeitskuchengebäude-Kulisse genießen bis die Dunkelheit hereinbricht.

Die Eingangshalle des Széchenyi Bads

Prunkvolle Bauten sind hier keine Seltenheit und zeigen mächtig Stolz und Mentalität der osteuropäischen Ungarn. Inmitten des Stadtparks findet sich das Millenary Monument und der Heroe’s Square. Auf der Spitze des 36m hohen Säulenmonuments sitzt Erzengel Gabriel, der dem ungarischen König Stephen die Krone anbietet. Alles ist groß, weiträumig, pompös und einen Tick übertrieben, aber trotzdem ein ziemlich schöner Anblick. Hier sitzen wir in der warmen Abendluft, mumpfeln und reden bis wir zurück zum Hostel fahren.

Das Verkehrsnetz ist dicht und Metro, Tram und Busse kommen schnell und regelmäßig, sodass man in Windeseile an jedem Ort in der Stadt ist.

Metrostation am Deák Ferenc tér

Geschichtsexkurs

Am Vormittag fahren wir zu einem der größten Flohmärkte in Mitteleuropa – dem Ecseri Piac. Hier wird alles von antikem Schmuck bishin zu Sowjetrelikten verkauft. Der Markt ist recht weit außerhalb und bei der Anreise mit Metro, Tram und Bus bekommen wir das Gefühl irgendwo im Nirgendwo gelandet zu sein bis wir endlich den großen Flohmarkt sehen. Wir schlendern darüber und betrachten Kuriositäten, aber auch vielfältige Gemälde in antiken Rahmen.

Kaffeehaus Gerbeaud

Danach starten wir unsere zweite Freetour auf der Stadtseite Pest, die am Café Gerbeaud startet, einem ebenso prachtvollen wie teurem Kaffeehaus inmitten der Stadt. Unser Tourguide für heute ist sehr gesprächig und erzählt viel Unterhaltsames und Gehaltvolles.

Von seiner Karriere als schmuggelnder Junge in der kommunistischen Sowjetzeit, der an der Grenze von Österreich-Ungarn immer so tat als schliefe er um nicht kontrolliert zu werden, wobei er unter den Schuhsohlen (Schuhe wurden immer mehrere Nummern größer gekauft) und in sämtlichen Taschen alle wichtigen Waren transportierte. Durch Verwandtschaft in Wien hatte seine Familie das Privileg dort öfter hinzureisen – während „normale“ Menschen nur einmal im Jahr reisen durften, jedoch mit nur einer begrenzten Geldmenge im Gepäck. So wurden die Reisende kreativ was Geldbeschaffung anging – etwa durch Informationsverkauf in den Duschen der Bäder, die nicht überwacht waren. Auch wurden die Großeltern mitgenommen um mehr Geldvolumen mitführen zu dürfen, auch wenn diese schon kurz vor dem Tod standen. Mit Kühlschränken auf den Dach der Trabanten ging es dann zurück nach Ungarn, nicht selten verstarb Oma oder Opa dabei und der Körper musste ebenfalls geschmuggelt werden um das Geld nicht zu verlieren. Jeans und Kaffee waren damals sehr wertvoll. Wer Jeans trug ist vergleichbar mit einem Menschen, der heute einen Lamborghini-Schlüssel schwenkt. Alleine das zeitweise Verleihen der Jeans verhalf dem Besitzer zu Reichtum.

Noch heute fiele unser Tourguide noch pünktlich bei Überquerung der Grenze in den Schlaf, so sehr habe ihn diese Zeit geprägt. Ostdeutschland und Ungarn haben einiges gemein, aber die abgelegten deutschen Trabanten auf die wir schon Jahre warten mussten, gingen nach Gebrauch nach Ungarn, wo die Menschen an einem bestimmten Zeitpunkt an Ort X sein, dann eins der halbtoten Fahrzeuge in Windeseile markieren mussten, um dann erst zu sehen ob diese überhaupt noch einen Motor besitzen. Die begehrten Autos wurden dann nach Hause geschoben und dort wurde ihnen bei Glück zur Fahrtüchtigkeit verholfen.

Der Weg vom Kommunismus zur Demokratie ist holprig

Er wird auch nicht müde den Stolz der Ungarn zu betonen. Sie würden gerne überall die Besten sein und wenn das nicht klappe – dann eben mit Marketing. So wie „Wir haben nicht das zweitgrößte Parlamentshaus in Europa, wir haben das größte in Osteuropa“. Das Schnitzelland hat immer Angst vergessen zu werden, verursacht durch die vielfältigen Besatzungen in Ungarns Geschichte – Mongolen, die die damalige Bevölkerung um 50% reduzierten, Türken, Habsburger, Nazis, die Sowjetunion. Außerdem das Gefühl immer auf der falschen Seite gestanden zu haben. Mit Nazideutschland hatte sich Ungarn verbündet um verlorene Territorien wie die Karpaten wiederzuerlangen – bis ihnen dämmerte vielleicht doch auf der falschen Seite zu stehen und versuchten aus der Nummer wieder rauszukommen, woraufhin der Ungarische Holocaust folgte. Einzig das Mittelalter und die Zeit unter Königin Elisabeth und König Franz Joseph werden als goldene Zeiten begriffen. Dafür bedankten sich die Ungarn mit zahlreichen nach Sissi benannten Plätzen, Straßen und Brücken wie dem Erzsébet tér (Elisabethplatz) und der Erzsébet híd (Elisabethbrücke). Sissi war sehr beliebt, weil sie sich stark für die Ungarn einsetze.

Basilica St. Stephen

Genug der Geschichtsexkursion. Wir sehen uns die Basilica St. Stephen an, die die rechte Hand des Heiligen aufbewahrt, Wasserspiele, die mit Berührungssensoren ausgestattet auf Annäherungen reagieren, einer Brücke die den Gang vom Kommunismus zur Demokratie symbolisiert (und dieser Weg ist holprig!), an vielen Sandsteingebäuden vorbei, die gereinigt werden um ihnen wieder zu ihrem strahlenden Weiß zu verhelfen bis zum Parlament, dem größten Gebäude Ungarns. 268m erstreckt sich das Parlamentshaus an der Donau entlang und seine Umrisse bilden einen schönen Konterpart zum Palast auf der gegenüberliegenden Seite der Donau.

Budapests Parlamentsgebäude

Nachdem wir uns in einem Café gestärkt haben, beginnt es zu regnen, weshalb wir eine Stadtrundfahrt mit der Tram machen. Die Linie 19 fährt entlang des Westufers, die Linie 2 entlang des Ostufers. So fahren wir einmal am Donau-Ufer hoch und runter und gehen anschließend über die Freiheitsbrücke (Szabadság híd) zum Gellert Hill und sehen uns die glitzernde Stadt von oben bei Nacht an – ein atemberaubender Anblick mit all den angestrahlten Gebäuden und beleuchteten Brücken.

Das Freiheitsmonument und die Zitadelle hier oben krönen den Hügel, verheißen Frieden und Freiheit. Dieser überwältigende Anblick von hier oben lässt einen den Atem stocken und ich denke an all‘ die Menschen unter mir – wie sie gerade streiten, essen, lachen, weinen, miteinander schlafen, Fliegen erschlagen, tanzen, sich betrinken, sich trotz der Menge einsam fühlen oder einfach nur fernsehen. Wäre ich Amelie wüsste ich auch wie viele Personen gerade was davon tun.

Auf dem Weg zurück überqueren wir die Elisabethbrücke und tauchen abermals in wunderschöne Stadtpanoramen ein.

An der Donau entlang

Wir streifen an der Donau entlang. Unser Ziel ist die Magareteninsel, die inmitten der Donau liegt und vor allem aus Parkanlagen besteht. Vorher kommen wir an 60 aufgereihten Schuhpaaren vorbei, ein Mahnmal für jene Juden, die hier erschossen und in die Donau geworfen wurden. Sogar Kinderschuhe sind darunter, in einigen stecken Rosen zum Gedenken.

Schuh-Mahnmal an der Donau

Die Magareteninsel

Über die Magaretenbrücke erreichen wir die 2,5km lange Insel und schlendern mit einem Eis in der Hand darüber. Die Insel ist ein beliebtes Ausflugziel zum Fahrradfahren, Joggen oder Picknicken. Neben viel Grün und Blumen gibt es ein Wasserspiel, das zum Takt von Musik tanzt, einen Japanischen Garten mit Seerosenteichen, alte Kirchen- und Klosterruinen. Entspannt liegen wir auf dem Rasen und genießen den frischen Wind und die Sommerluft.

Danach gehen wir in das Alexandra Book Café, das sowohl mit spektakulär pompöser Einrichtung als auch leckeren Kuchen besticht. Das Café befindet sich direkt über einem Buchladen und ist von außen sehr unscheinbar. Wenn man nicht müsste, dass sich im Obergeschoss ein Café verbirgt, würde man es sogar glatt übersehen. Bei all der luxuriösen Einrichtung und dem dezenten Pianoklängen im Hintergrund lässt es sich stilvoll genießen, ist dabei aber gar nicht mal teuer. Ein wahres Juwel inmitten der Stadt.

Das prunkvolle Alexandra Book Café

Wieder draußen schlendern wir die Adressy út entlang, die mit ihrem mit Bäumen gesäumten Boulevard zum Unesco Weltkulturerbe zählt. In dieser Straße befinden sich auch viele Geschäfte, auch die der teuren Luxusmarken.

Den Nachmittag widmen wir dem jüdischen Viertel, das während der Besatzung der Nazis 1944 das Ghetto war in dem die jüdische Bevölkerung leben musste. Wir sehen die Große Synagoge, die größte weltweit außerhalb New Yorks. Der Gozsdu Udvar ist ein typischer Budapester Hinterhof, der bei unserem Besuch als Marktplatz für allerlei Handwerk und Tand verwendet wird. Diese Hinterhöfe beherbergen oft Restaurants oder kleine Marktstände.

Millenary Monument in Timelapse Ansicht

Danach besuchen wir nochmal das Millenary Monument und warten auf dem großen Platz auf die Dunkelheit um Fotos nachzuholen, die wir aufgrund des Badebesuchs nicht vorhandender Kamera nicht machen konnten.

Leidenschaftliche Rhythmen eines ungarischen Chors

Es ist erstaunlich was man alles mitbekommt wenn man länger an einer Stelle verweilt und dem Treiben zusieht. Nach einiger Zeit versammeln sich immer mehr Menschen auf dem Platz und eine mit Fackeln begleitete Musikgruppe betritt das Szenario. Aus der Nähe betrachtet stellt es sich als traditionelle ungarische Musik heraus, leidenschaftlich und rhythmisch singt und trommelt der Chor seine Lieder. Sehr mitreißend, auch einige Menschen aus dem Publikum singen freudig mit. Der Frontsänger untermalt die Musik noch mit Schellen an seinen Schuhen. Beschwingt von diesem würdigen Ausklang des Tages fahren wir in unser Hostel zurück, eben gehörte Lieder in die warme Sommerluft summend.

Von Bären, Würschteln und Büchern

Strahlend blauer Himmel begrüßt uns am Morgen und wir brechen zum Parlament auf um an einer Tour durchs Innere des Gebäudes teilzunehmen. Für EU-Bürger ist der Besuch gratis, aber es lohnt sich vorher zu buchen. Sonst steht man wie wir zwei Stunden in der prallen Sonne und wartet bis man zur Kasse vorgelassen wird. Danach waren wir zwar ein paar Nuancen gebräunter, aber da wir die deutsche Tour mitmachen müssen – der Himmel weiß wieso – müssen wir bis zum Nachmittag auf unsere Tour warten. Diese Zeit überbrücken wir indem wir eine Donaufahrt mit der Fähre machen. Es gibt zahlreiche Bootstour-Anbieter im Hafen, aber mit der Fähre ist es das gleiche, nur günstiger. Die meisten der Fähren haben ein Oberdeck von wo man gute Aussicht und kühlenden Fahrtwind genießen kann. Mit der Wochenkarte fürs Öffentliche Verkehrsnetz kann man an Wochentagen mit der Fähre umsonst fahren. Wir fangen im Süden an und fahren bis hinter die Magareteninsel um danach die Parlamentstour zu machen.

Budapest macht auch von der Wasserseite was her

Das Parlament

Ob sich all die Anstrengungen nun gelohnt haben, sei dahingestellt. Ein russischer Bär führt uns mit der sehr eigenen knapp pragmatischen Art durch einige prunkvolle Räume – wir sehen die Krone von St. Stephen, den Plenarsaal, den Aschenbecher in dem die Parlamentsherrschaften einst ihre Zigarren abzulegen pflegten (dieses Detail lag ihm anscheinend besonders am Herzen, er erwähnte es dreimal, weshalb es sich mir ins Gedächtnis eingebrannt hat). Insgesamt war es eher amüsant als informativ. Wieder erleben wir einen Wachwechsel, diesmal an der Krone, die stets von stillstehenden Männern bewacht wird. Die Krone des ersten ungarischen Königs ist zu einem nationalen Symbol geworden, weshalb sie so ikonisch und wichtig ist. Die Krone ist im Verlauf der Geschichte mehrmals verschwunden und erst 1978 wieder an Ungarn zurückgegeben worden. Das Faszinierendste an dem Gebäude ist eigentlich, dass es ganz aus ungarischen Materialien erbaut wurde, auch wenn dies oft teurer war als importierte Materialien. Gold aus den Karpaten, der Marmor unecht – ein großer Aufwand für das Gebäude, das stolz die Stadt überragt.

Die große Markthalle

Von all dem Prunk und Goldglanz ist uns ganz schwummerig und wir stürzen und ins Getummel der großen Markthalle. Hier gibt es Obst, Gemüse, Backwaren und die besten Würste – Kolbasz genannt – die ich bisher die Freude hatte zu genießen.

Bewaffnet mit Weintrauben und Kolbasz schlendern wir nun die Muzeum út hinauf und schnuppern in zahlreiche antike Buchläden hinein. Hier findet sich ein Allerlei aus ungarischer, englischer und auch deutscher Literatur – Erstausgaben, Abstruses und Kunstdrucke. Einige Bücherläden sind sehr sortiert und aufgeräumt, andere urige Bücherhöhlen in denen sich die Bücher kreuz und quer stapeln und man stundenlang stöbern könnte. Ich komme mir vor als sei ich in Buchhaim, der Stadt der träumenden Bücher – so viele Buchländen reihen sich hier aneinander. Ich habe jeden Moment einen Bienenbrotverkäufer erwartet. Besonders angetan haben es mir die Postkartensammlungen und Fotos längst vergangener Tage. Einige von ihnen waren in Deutsch beschriftet. Von Liebes- über Urlaubsgrüßen war alles dabei. Ich stelle mir gerne diese Menschen und deren Leben vor von denen in vielen Fällen wahrscheinlich nicht viel mehr übrig ist als diese Erinnerungen.

Ein gemütliches Zuhause für Buchlinge

Da mir meine Sandburg am besten gefallen hat, statten wir am Abend der Fischerbastion einen zweiten Besuch ab. Ich genieße das goldene Licht, den warmen Wind, das bunte Treiben und schwelge in dem Panorama. Es wundert mich nicht, dass dieser Ort beliebt für erste Rendezvous ist.

Blick von der Fischerbastion

Ungarische Spezialitäten

Dann schalten sich unsere knurrenden Mägen ein und wir wollen unseren letzten Tag mit ungarischen Essen beschließen. Wir finden ein schönes Hinterhofrestaurant mit Gartenstühlen und gönnen uns ein Menü mit Gulaschsuppe, ungarischen Roastbeef und Pfannkuchen mit Schokoladensauce sowie ungarischen Wein. Es soll ja Menschen geben, die aus kulinarischen Gründen reisen und in solchen Augenblicken kann ich das sehr gut nachempfinden. Für gutes Essen bin ich immer zu haben und immer wieder gespannt auf neue unbekannte Leckereien. Und Ungarn hat davon definitiv mehrere. Nur Paprika sollte man nicht gedankenlos mumpfeln. Einige können höllisch scharf sein :)

Am Restaurant „Vörös Ördög“ (Roter Teufel)

Nun ist auch die blaue Stunde hereingebrochen und wir sitzen wieder auf der Fischerbastion und erfreuen uns der Fotomotive. Was ich besonders liebe ist warmen Sommernachtwind, der einem um die Beine streicht und einen einzuhüllen scheint wie in eine leichte Decke.

Nur eine Sache bleibt uns jetzt noch zu tun. Am Elisabethplatz befindet sich eine Vorrichtung an denen Menschen symbolische Schlösser befestigen um danach die Schlüssel wegzuwerfen. Besonders beliebt bei Hochzeitspaaren, aber auch eine Online Partneragentur hat sich hier einen Platz für ihre erfolgreichen „Verkupplungen“ reserviert. Mittlerweile ein Sammelsurium für alle denkbaren Anlässe. Ani und ich bringen hier ein Schloss für uns an und werfen dessen Schlüssel danach in die Donau.

Schlössermeer am Elisabethplatz

Ich war von Budapest sehr überrascht. Da es eine spontane Entscheidung anhand der Flugpreise  für uns war, wussten wir so gut wie nichts über die Stadt. Soweit nach Osteuropa bin ich bisher noch nicht vorgedrungen und ich muss feststellen, dass es hier ganz sicher noch einige Juwelen zu entdecken gibt, die noch nicht so überlaufen sind wie andere sehr beliebte sich im Süden Europas befindende Ziele. Selbst Budapest hält noch einiges bereit, das wir nicht gesehen und Aktivitäten, die wir nicht unternommen haben. Man kann in den Buda Hills wandern, auf der Donau Kayakfahren, eine alte römische Siedlungsruine und die unterirdischen Höhlen besuchen. Ich habe nicht erwartet eine solch schöne und vielfältige Stadt vorzufinden in der es so viel zu sehen gibt. Die prunkvollen weiten Plätze und Gebäude gefallen mir sehr und machen mir umso mehr Lust irgendwann mein Reiseziel Russland in Angriff zu nehmen. Besonders erstaunlich finde ich den Aufwand den Sandstein von dem schwarzen, in der Natur der Sache liegenden, Belag zu befreien und die Stadt dadurch so sauber und mediterran erstrahlt. Strahlen ist genau das richtige Wort für diese Stadt, denn das tut sie.

Strahlendes Budapest von der Fischerbastion aus

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    Annika

    Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeuten Wandern und Reisen für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt

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