Auf unserem Weg zum Switchback Pass

CDT: Typ-2-Spaß in der Bob Marshall Wilderness

Die Bob Marshall Wilderness ist ein harter Abschnitt, der uns auf die Probe stellt. Haben wir das Zeug dazu, den CDT zu wandern? Wir werden es herausfinden. Proviant für 10 Tage im Gepäck, umgestürzte Baumstämme, unzählige Flussüberquerungen und ein Wintersturm verwandeln diesen Teil des CDTs in Typ-2-Spaß. 

CDT Tag 8 – Mücken und schwere Rucksäcke

27,6 km / 820 hm / 6,75 h

Wir wissen, dass wir in einen Wintersturm aufbrechen, als wir East Glacier Village an einem sonnigen Tag verlassen. Aber wir fühlen uns ausreichend vorbereitet – mit warmer Kleidung und Schlafsäcken, mehreren Paar Handschuhen, Regenkleidung und Grödeln. Aber es ist immer anders, wenn man tatsächlich drinsteckt. In der Theorie klingt alles machbar. Und das ist es auch, aber wir wissen, dass es trotzdem miserabel sein wird, uns hindurch zu kämpfen. Aber das ist Teil des Abenteuers – es ist nicht immer alles heiter Sonnenschein.

Unsere Rucksäcke sind schwer, beladen mit zehn Tagen Proviant für die kommenden 300 Kilometer nach Lincoln. Der Tag bringt Herausforderungen: Hitze, schmerzende Füße, Blasen an den Händen – und unzählige Mücken. Meine Picaridin-Lotion überrascht mich positiv, da sie weder klebt noch riecht wie das ganze übliche Mückenschutzmittel und uns vor den Plagegeistern schützt.

Der Trail führt größtenteils durch einen grünen Tunnel. Zwischendurch öffnen sich Blicke auf die umliegenden Berge, und wir überqueren kleine Bäche, wo Mücken uns umschwärmen. Kurz vor der Straße am Marias Pass blockiert ein stehender Zug den Weg. Zögernd klettern wir über einen der Waggons, was sich gefährlich und illegal anfühlt, aber wir schaffen es sicher auf die andere Seite.

Dort liegt ein Campingplatz mit einem Denkmal für Roosevelt. Obwohl ein Sturm aufzieht, entscheiden wir uns, weiterzuwandern. Umgeben von Mückenschwärmen essen wir vor dem Zeltplatz, um Bären nicht durch den Essensgeruch anzulocken. Unser Essen verstauen wir in einem Ursack, den wir an einem Baum befestigen – eine praktikable Alternative zu einem klassischen Bear Hang, der oft schwer umzusetzen ist.

CDT Tag 9 – Wintersturm, Teil I

33,6 km / 1.045 hm / 9,5 h

Wir starten bei strahlend blauem Himmel und nehmen die Kitchen-Alternative entlang des Flusses. Diese Route umfasst neun eiskalte Flussüberquerungen, aber sie erspart uns mühsames Klettern über umgestürzte Bäume. Der CDT zeigt wieder, dass er mehr Konzept als fester Pfad ist – jeder gestaltet sein Abenteuer selbst, nach eigenen Bedürfnissen und Vorlieben. „Hike your own hike“ ist das Motto, auch wenn nicht jeder diesen Ansatz akzeptiert.

Unterwegs treffen wir Carl, der auf dem Weg zum Great Divide Trail in Kanada ist. Er schenkt uns selbst gemachte, dehydrierte Mahlzeiten – ein kleiner Bonus, der Hoffnung gibt, ohne weiteren Resupply nach Lincoln zu kommen.

Das Wetter schlägt um. Zuerst Nieselregen, dann Schneeregen, schließlich starker Schnee. Wir schaffen es zur Badger Ranger Station, wo uns Zach, ein Gruppenleiter für invasive Pflanzenbekämpfung, heißen Kakao mit Marshmallows anbietet. Ein Stück Trail Magic im Schneegestöber, das uns Kraft gibt. Wir sitzen auf der Veranda der kleinen Hütte und schaufeln kalte Instantnudeln in uns hinein, während wir den wirbelnden Schneeflocken zusehen.

Die Kälte treibt uns weiter, und das Wetter bleibt launisch. Ein kurzes Aufklaren mit Sonne und Blick auf die frisch gepuderten Berggipfel gibt uns Hoffnung, nur um bald wieder von Schnee vertrieben zu werden. Der Wind bläst den harten Schnee schmerzhaft in unsere Gesichter. Jede Pause lässt uns frieren, also bleiben wir in Bewegung. Ich halte den Kopf gesenkt, schaue nur auf meine Füße, um den Schnee aus meinem Gesicht fernzuhalten und blicke nur gelegentlich hoch, um zu sehen, in welche Richtung der Trail führt.

Wir finden einen einigermaßen ebenen und geschützten Zeltplatz. Schneeregen prasselt auf das Zelt, während ich langsam in meinem Schlafsack auftaue. Die Vorhersage über den Garmin InReach verspricht einen trockenen Morgen, aber der Wintersturm für die kommenden Tage bleibt eine Herausforderung, die wir später angehen. Für jetzt zählt nur die Erleichterung, dass dieser Tag geschafft ist.

CDT Tag 10 – Ruhe im Sturm

34 km / 720 hm / 9,25 h

Eingepackt in alle Kleidungsschichten, starten wir in den kalten Morgen. Mehrere Flussüberquerungen sorgen dafür, dass unsere Füße dauerhaft nass bleiben. Doch nach dem Mittagessen lichtet sich der Himmel, die Sonne kommt heraus, und wir können endlich unsere Sachen trocknen. Die Wärme hebt die Stimmung, und die Natur erwacht: Waldmurmeltiere spähen aus ihren Höhlen, Vögel zwitschern, und das Leben kehrt zurück.

Eine weitere Flussüberquerung macht meinen gerade erst getrockneten Socken wieder ein Ende. Zum Glück sind die Temperaturen inzwischen milder, und wir haben noch 8 km Zeit, um sie erneut zu trocknen – zumindest theoretisch. Denn unser Zeltplatz liegt idyllisch auf einer Insel im Fluss, nasse Füße inklusive. Ryan verletzt sich beim Versuch, auf Steinen zu balancieren, den Fuß. Zurück im Zelt malt er sich düstere Szenarien aus, glaubt, der Fuß sei gebrochen und seine Wanderung vorbei. Er spricht davon, als Billardspieler in Tijuana ein neues Leben zu beginnen. Ich bleibe ruhig und schlage vor, erst mal abzuwarten. Das Wetter und die Umstände mögen rau sein, aber die Hoffnung bleibt.

CDT Tag 11 – Wintersturm, Teil II

30,6 km / 845 hm / 9 h

Der Tag beginnt vielversprechend: kein Schnee oder Regen am Morgen, also brechen wir optimistisch auf. Doch bald setzt wieder Schneeregen ein, der Trail wird matschig, und wir werden von allen Seiten nass – durch Pfützen, nasse Büsche und das Wetter von oben. Der Trail ist matschig und jeder Schritt fühlt sich an, als würden wir Zementblöcke tragen.

Meine Handschuhe durchweichen, die Füße sind dauerhaft nass, und in höheren Lagen geht der Regen in Schnee über. Pausen sind unmöglich, da ich sofort friere. Aber als der Trail in tiefere Lagen führt, wärme ich langsam wieder auf. Ein kurzer Moment Sonnenschein und ein Snack heben meine Stimmung, und wir entscheiden uns, weiterzugehen, obwohl der Tag anstrengend und das Wetter erbarmungslos bleibt.

Unser Ziel ist die Spotted Bear Alternative, die uns einige Kilometer erspart – eine verlockende Aussicht bei diesen Bedingungen. Doch der Tag zieht sich, und unzählige Flussüberquerungen zwingen uns immer wieder in das eiskalte Wasser. Schließlich finden wir einen idealen, geschützten Zeltplatz – schneefrei und zwischen Bäumen, aber wir wollen noch ein Stück weiterkommen. Das stellt sich als Fehler heraus.

Höher im Schnee finden wir keinen guten Zeltplatz mehr und müssen uns mit einem unebenen, schrägen Platz unter Bäumen zufriedengeben. Morgen steht ein Pass an, und mehr Schnee ist vorhergesagt – eine Aussicht, die mir nicht gefällt. Mit geschlossenen Augen versuche ich, die Strapazen hinter mir zu lassen, bereit für einen weiteren herausfordernden Tag.

CDT Tag 12 – White Out am Switchback Pass

26,6 km / 700 hm / 8,75 h

Ein weiterer frostiger Morgen beginnt mit dem sensorischen Albtraum, unsere eiskalten Füße in halbgefrorene, durchnässte Socken zu stecken. Der Trail führt steil hinauf zum Switchback Pass, und bald stapfen wir durch tiefen Schnee. Ohne sichtbaren Trail oder Spuren ist die Wegfindung mühsam, doch der griffige Schnee erleichtert das Gehen.

Kurz vor dem Pass setzt wieder Schneefall ein, und wir befinden uns in einem Whiteout. Die Aussicht, für die dieser Pass bekannt ist, bleibt uns verborgen – wir können kaum ein paar Meter sehen. Orientierungspunkt für Orientierungspunkt kämpfen wir uns langsam zum Switchback Pass, um direkt mit dem Abstieg zu beginnen.

Auf der anderen Seite lässt der Schnee nach, und wir steigen in den Wald hinab. Für einige Stunden genießen wir trockeneren Boden, doch die Flussüberquerungen sorgen dafür, dass unsere Füße erneut nass werden. Mittags erreichen wir die Pentagon-Hütte, wo wir cold-soaked Instantnudeln essen. Wenigstens kommt kurz die Sonne heraus, und ich nutze die Gelegenheit, mich an Fotosynthese zu versuchen.

Der Nachmittag verläuft unspektakulär, der Trail ist mit Kiefernadeln und Pilzen bedeckt, doch dichter Pflanzenbewuchs und erneuter Regen machen uns bald wieder nass. Ich bin es so leid, ständig durchnässt zu sein, doch immerhin bleiben uns Mücken erspart, die in dieser Gegend später im Jahr ein Albtraum wären.

Der Tag zieht sich, da der schwierige Aufstieg am Morgen viel Zeit gekostet hat. Trotz allem schaffen wir 26 Kilometer in 9 Stunden. Am Abend finden wir einen schneefreien, geschützten Zeltplatz – ein kleiner Sieg nach einem weiteren herausfordernden Tag auf der CDT.

CDT Tag 13 – Die Chinese Wall

26 km / 1.070 hm / 9 h

Heute regnet es zwar nicht, aber der überwucherte Pfad durchnässt uns bereits in der ersten Stunde. Ich fluche und schimpfe auf die Bob Marshall Wilderness. Der irrationale Gedanke beschleicht mich, dass ich niemals wieder trocken sein werde.

Wir stapfen durch den Schnee, oft brechen wir ein, und es wird im Laufe des Tages immer schlimmer. Zwischendurch gibt es schneefreie Abschnitte, in denen wir Zeit gutmachen können. Das Vorankommen im Schnee ist unglaublich langsam – so viel Aufwand für so wenig Fortschritt. Es ist frustrierend. Wir erreichen einen Anstieg und sehen zum ersten Mal die beeindruckende Chinese Wall – eine steile Felswand, die sich über 19 km erstreckt. Ich beginne zu verstehen, warum sie so genannt wird – sie scheint endlos.

Schließlich beehrt uns die Sonne, und wir breiten all unsere Ausrüstung zum Trocknen aus. Ich versuche, wieder etwas Fotosynthese zu betreiben und die Sonnenstrahlen aufzusaugen. Warme und trockene Füße zu schätzen wissen – das können wohl nur Thru-Hiker. Und unbändige Freude empfinden, wenn nach Tagen von Regen, Schnee und Kälte endlich die Sonne herauskommt. Die grundlegenden Bedürfnisse, die erste Stufe in Maslows Bedürfnishierarchie: trocken und warm sein.

Die heutigen Aufs und Abs scheinen endlos, und das ständige Einsinken im Schnee beim Aufstieg kostet mich alle Kraft. Ich bin erschöpft. Es fühlt sich an wie das Glasbrückenspiel in „Squid Game“: Man setzt einen Schritt und hofft, dass der Boden hält – bis er es nicht tut. Dennoch sind wir sehr dankbar, dass uns die Bob Marshall Wilderness endlich einige Ausblicke gewährt. Es ist eine großartige Belohnung für die harte Arbeit der letzten vier Tage.

CDT Tag 14 – Auf dem Weg zur Benchmark Ranch

35 km / 350 hm / 8 h

Der Tag startet, wie könnte es anders sein, mit einer Flussüberquerung. Baumstammbrücken gibt es zwar, aber das Risiko lohnt sich kaum, da es zu viele Flussüberquerungen sind. Zum Glück ist das Wasser flach, und das unangenehme Gefühl von Eisblöcken an den Füßen verschwindet schnell.

Heute ist ein entspannter Wandertag ohne große Anstiege. Die Sonne scheint, der Himmel ist strahlend blau, und wir genießen den ruhigen Spaziergang durch den Wald. Nach dem Sturm begegnen wir wieder Menschen: Reitergruppen mit Pferden und Maultierkarawanen sowie Wanderern mit schweren Rucksäcken. Während Ryan in Gesprächen aufgeht, fühle ich mich nach den stillen Tagen eingerostet im Umgang mit anderen. Mir gefällt es, weniger Menschen um mich zu haben – genau deshalb bin ich hier draußen.

Das wechselhafte Wetter bleibt ein Thema. Heute ist es warm genug für Shorts, aber die Vorhersagen für morgen reichen von Sonnenschein bis Starkregen. Montana bleibt unberechenbar. Wir machen Mittagspause an einer großen Holzbrücke, erfrischen uns im kalten Wasser und beobachten Vögel und Schmetterlinge – eine kleine Oase der Ruhe.

Am Nachmittag erreichen wir die Benchmark Wilderness Ranch nach einem einsamen Marsch entlang einer Schotterstraße. Dort finden wir in der Hiker Box eine von Carls leckeren Mahlzeiten – ein kleiner Glücksmoment. Damit haben wir ausreichend Vorräte, um es in drei weiteren Tagen nach Lincoln zu schaffen. Eine Mitfahrgelegenheit nach Augusta zu bekommen scheint ohnehin unmöglich, da wir auf der ganzen Straße kein einziges Auto gesehen haben.

Niemand ist hier, aber nachdem wir unser Abendessen auf der Veranda gekocht haben, treffen wir auf eine nette Frau, die unsere Powerbank auflädt, und uns beide eine dringend benötigte Dusche verschafft. Nach tagelangem Dreck und Kälte fühlt sich das heiße Wasser wie purer Luxus an, die 10 Dollar für die Dusche sind bestens investiert. Die Ranch bereitet gerade alles für eine Hochzeit am Wochenende vor, und wir ziehen uns zurück, um unser Lager ein Stück weiter entlang des Trails aufzuschlagen – bereit, die Bob Marshall Wilderness hinter uns zu lassen.

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Die Weltwanderin

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Annika

Ich bin verliebt in die Welt, ihre Berge und das Abenteuer. Seit jeher beschäftigt mich eine starke Sehnsucht nach einem intensiven Leben. Dabei bedeuten Wandern und Reisen für mich pure Freiheit und Glück. Auf diesem Blog lest ihr alles über meine Abenteuer auf der ganzen Welt

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