Um 9 Uhr startet unser 10-tägiger Trip in die Wüste Gobi. Die Gobi ist sicherlich das beliebste Touristenziel in der Mongolei und lässt sich gut mit einem Besuch in der zentralen Mongolei verbinden. Die Wüste ist jedoch das wenigsten besiedelte Gebiet der Mongolei und ein Besuch hier bedeutet Isolation und Abtauchen. Große Sanddünen, eisgefüllte Schluchten, Dinosaurierfossilien und Kamele füllen die ansonsten leere und trockene weite Landschaft.
Gestern Abend hatten wir eine kleine Einführung und uns zusammen darauf geeignet, den Trip um einen Tag zu verlängern und um einen Besuch bei den Heißen Quellen zu bereichern.
Wir sind zu sechst: Neben uns die zwei Portugiesen Diogo und Mario sowie das französische Paar Marie-Line und Benoît. Dazu kommen unser Fahrer Ulzi und unser Guide und Köchin Mogi.
Wir stehen früh auf, weil wir noch vor unserem Trip Zugtickets nach Peking kaufen wollen. Der Zug fährt nur Donnerstag, Freitag und Samstag, weshalb wir wieder ein paar Tage in Ulan Bator hätten bevor wir weiter reisen können. Wir nehmen uns ein Taxi zum Bahnhof und sind pünktlich um 7 Uhr am Schalter für internationale Tickets im 2. Stock. Leider sind außer uns nur andere Wartende da, keiner hinter dem Schalter, alle Lichter aus, nur der Fernseher läuft. Irgendwann kommt eine Dame, die offenbar hier arbeitet. Bevor sie sich an den Schalter setzt, zieht sie sich allerdings noch gemütlich um und wer weiß was noch. Dann sagt sie uns, dass alle Züge nach Peking im August voll sind, außer dem am 15.08., wo wir allerdings noch in der Gobi unterwegs sein werden. Zwischendurch fällt der Strom aus.
Sie sagt wir können einen Zug nach Erlian auf der chinesischen Seite der Grenze nehmen und von dort mit einem Bus weiterfahren. Auch dieser Zug fährt nur Donnerstag und Samstag. Wir stimmen also zu, können unsere Tickets aber aufgrund des Stromausfalls nicht ausdrucken lassen. Also warten wir. Nach etwa 30 Minuten geht der Strom wieder an und wir kaufen unsere Tickets für den Abendzug am 20.08. nach Erlian. Das ist schon mal in Sack und Tüten, zum Glück. Wir hatten schon befürchtet, dass wir fliegen müssen. Wir haben gestern extra unser Visum für die Mongolei verlängert, was nötig war, da der nächste Zug erst drei Tage nach unserem Gobi-Trip geht und wir somit unser Visum um zwei Tage überschritten hätten. Eine Anleitung zur Verlängerung des Mongolei-Visums findet ihr hier >>
Auf dem Weg in die Wüste Gobi
Wir starten also um 9 Uhr und gehen erstmal alle zusammen im Department Store Supermarkt einkaufen. Am wichtigsten dabei: Wasser, 3l pro Person pro Tag. Denn Wasser ist in der Wüste Mangelware, wie man sich vorstellen kann. Auch Mogi kauft hier zusammen mit Bobby ein, die schaut ob alles seine Ordnung hat. Die Frau hat wirklich stets alles im Blick – jedes Detail und macht alles gleichzeitig. Eine Pfanne wurde noch vergessen, weshalb wir nochmal zum Hostel zurück fahren, dann geht’s los Richtung Süden – raus aus Ulan Bator.
Die erste Zeit fahren wir noch auf befestigter Straße, dann wird es bald holprig, denn es geht nun Off-Road mit unserem koreanischen Istana Minibus weiter. Viele Pfade kreuzen sich in der leeren Landschaft, ohne sich hier auszukennen hätte man kaum eine Chance den richtigen zu finden. Die Landschaft besteht nur aus Steppe soweit das Auge reicht, manchmal sieht man ein paar Berge, so lässt sie wenig Rückschlüsse zu, die der Orientierung dienlich wären. Die Steppe ist ein Teppich aus weiß blühenden Gräsern.
Gegen 13 Uhr stoppen wir mitten in einer solchen Steppenlandschaft im Nirgendwo zum Mittagessen. Mogi hat einen mobilen Campingherd mit Gas auf dem sie uns Dumplings mit Reis in Milch kocht. Die Sonne brennt herunter und nichts bietet Schatten. Einzig der Van bietet etwas Schutz vor der Sonne. Wir mumpfeln unsere Dumplingsuppe, die ziemlich gut schmeckt. Ich helfe beim Abwaschen, wofür wir einen Wasserkanister haben. Mogi freut sich über meine Hilfe.
Die Felsen von Baga Gazryn Chuluu
Dann geht’s weiter – die Landschaft wird immer felsiger, die Graslandschaft weicht einer kargen Buschvegetation aus der sich Felstürme erheben. Wir schlafen immer mal wieder ein, die Hitze macht müde. Aber eine der Felslandschaften ist wunderschön und wir machen kurze Fotostops. Dann kommen wir zu den Felsen von Baga Gazryn Chuluu. Inmitten dieser Felsen finden sich das 200 Jahre alte Kloster Tsorjin Khureeni Khiid. Es ist wie eine kleine Oase inmitten der staubigen Ebene – hier wachsen schattenspendende Birken.
Wir laufen auf den Felsen umher, lassen uns von der Aussicht auf die mit Felsen übersäte Landschaft beeindrucken. Die Felsen bilden kleine Schluchten und es ist einfach wunderschön. Vor allem nach der langen Fahrt ist es schön mal etwas zu sehen und sich zu bewegen. Ganz in der Nähe gibt es eine Quelle, die mit einem Stein abgedeckt ist. Mit einem langstieligen Löffel kann man das Quellwasser aus dem Loch hervorholen, den Einheimische hier platziert haben.
Zu unseren Jurten für die Nacht sollen es nur noch 5km sein, aber so ganz sicher scheint sich unser Fahrer Ulzi nicht zu sein wo es nun eigentlich lang geht. Wir fahren einen Pfad entlang und kehren dann doch wieder um. Dann ist wohl der richtige Weg gefunden, der ist aber mit großen Steinen gespickt über die es der Van schwer hat. Wir steigen alle aus, während Ulzi den Van über die Steine bugsiert. Diese Angelegenheit sieht ganz schön wackelig aus, als würde der Bus sich gleich auf die Seite legen wollen. Aber Ulzi schafft es hinüber und wir können wieder einsteigen.
Die erste Nacht in der Gobi
Bald darauf erreichen wir das Jurtencamp, das wirklich mitten im Nirgendwo liegt. Offenbar sind wir heute die einzigen Gäste hier. Wir bringen unser Gepäck in die Jurte und schauen dann zu wie die Stuten zum Melken eingefangen werden. Auch sie werden von ihren Fohlen getrennt, die angebunden werden, damit die Stuten sich nicht weit entfernen. Dann werden sie mit dem Lasso eingefangen, was gar nicht so einfach zu sein scheint. Die Pferde erscheinen ziemlich wild. Außerdem haben sie viele Ziegen und einen lieben Hund.
Wir werden in die Familienjurte zum Airag-Trinken eingeladen. Wir trinken nur wenige Schlucke um unseren Magen zu schonen. Dann gehen wir hinaus und erfreuen uns an den letzten Sonnenstrahlen, danach gibt es Abendessen – Hühnchensuppe mit erstaunlich viel Gemüse. Mogi kocht hervorragend!
Kurzer Stopp in der Zivilisation
Wir werden gegen acht zum Frühstück geweckt. Ich habe leider schlecht geschlafen, da mein Bauch weh getan hat und mir übel war, was sich bis in den Morgen zieht. Ich verzichte auf das Frühstück und knabbere nur ein paar Gurken. Ja, es gibt frische Gurken und Tomaten um sich ein Sandwich zu machen! Und ich kann nichts essen :( Alex verdrückt dafür gleich zwei Sandwiches.
Die ersten Stunden im Van verbringe ich schlafend bis es mir besser geht. Dann kommen wir in die Stadt Mandalgov, wo Ulzi und Mogi Wasser an einer Art Wasserstation auffüllen. Es ist eine Art Brunnen und am Schalter sitzt ein Mann, der die Bezahlung entgegen nimmt. Hier kommen viele Einheimische mit ihren Kanistern und füllen diese über einen Schlauch auf – wie eine Wassertankstelle. Dann gehen wir in den Supermarkt und kaufen kalte Cola, Joghurt als Frühstück für mich und weitere Kleinigkeiten aus der Zivilisation.
Bei Ulzis Familie
Wir fahren weiter, die Landschaft wird immer wüstiger. Von weitem sieht es zwar grün aus, aber eigentlich sind es nur einzelne Grasbüschel im Sand. Wir kommen bei Ulzis Familie an, die ihre Jurte mitten in der weiten Landschaft haben – und einen großen Bus in dem sie ebenfalls wohnen. Ob der noch fährt, weiß ich nicht. Ulzis Familie hat viele Kamele, Schafe und Ziegen. So bekommen wir Kamelmilchtee gereicht. Ulzi lebt hier mit seiner Frau und seinen älteren Töchtern, die ihrerseits auch schon Kinder haben. Zwei kleine Mädchen laufen um uns herum, erst sehr schüchtern, dann langsam auftauend.
Vor dem Mittagessen bekommt jeder von uns eine Schale Kamelmilchwodka gereicht, die wir austrinken sollen. Angeblich gut für den Magen, danach hätte ich keine Probleme mehr, bedeutet mir Ulzi. Oh weh. Einer der Portugiesen trinkt die Schale in drei großen Zügen und muss sich fast übergeben, der arme Kerl. Der Wodka schmeckt säuerlich. Dazu gibt es getrocknete saure Kamelmilchkekse, die milder und weicher sind als die vom Yak, aber trotzdem wirklich nicht meine Welt sind. Dann gibt es Essen – das übliche mongolische Familienessen: Hammel, Möhre, Kartoffel und Reis. Mein Magen ist nicht begeistert, ich begnüge mich mit den dazu gereichten Gewürzgurken. Ich kann einfach keinen Hammel sehen!
Wir schenken den Kindern Malstifte und ein Heft, worüber sie sich sehr freuen. Es bricht aber auch sofort ein Streit aus wer denn nun zuerst malen darf :) Wir verabschieden uns und fahren weiter. Bald darauf stellt Benoît fest, dass wir einen Platten haben. Auf dem rechten Hinterreifen ist kaum noch Luft. Wir halten also mitten im Nirgendwo und Ulzi macht sich daran den Reifen zu wechseln. Alle helfen mit den Van ein Stück anzuheben, damit Ulzi den Wagenheber ansetzen kann. In der Zwischenzeit verfolgen wir eine kleine Eidechse, die wahnsinnig flink ist, aber sich trotzdem perfekt als Fotomodell in Szene setzt, uns verschiedene Gesichtsausdrücke gebend – von lachend bis böse.
Die Felsklippen Tsagaan Suvarga
Heute ist es sehr heiß, es gibt keinen Schatten, wir schwitzen vor uns hin. Man mag sich nicht viel bewegen. Wir fahren wieder eine Weile, ich schlafe immer wieder ein. Wir machen noch eine Pause, dann erreichen wir die weiß-roten Felsen von Tsagaan Suvarga. Diese erodierte Felslandschaft ist wunderschön. Rote Sandhügel, rot gestreifte weiße Kalksteinberge inmitten der flachen, eintönigen Landschaft. Aufgrund ihrer Farbe wird die 60m hohe und über 400m breite Felsformation „weiße Stupa“ genannt. Einst befanden sich diese Felsen unter dem Meeresspiegel und es lassen sich Fossilien und Muscheln finden.
Man kann stundenlang fahren ohne dass sich viel ändert. Der Abstand der Grasbüschel wird größer, der Sand wird rot, sonst ist alles flach bis auf gelegentliche Hügel in der Ferne. Dann plötzlich taucht eine wunderschöne Felsformation oder solche Klippen wie hier im Nirgendwo auf. Wir wandern lange herum und bestaunen diese Mondlandschaft.
Dann fahren wir noch etwa fünf Minuten zu unserem Jurtencamp für die Nacht. Diesmal sind auch andere Gruppen hier. Wir sitzen das erste Mal draußen beim Essen und bis es Nacht wird. Ein warmer Wind streicht uns um die Beine, eine Gobi-Springmaus besucht uns. Wir unterhalten uns über portugiesische und griechische Politik – Diogo betrachtet diese Themen vor allem von der psychologischen Seite -, die Mongolei und andere Länder sowie über unser aller Lieblingsthema: Essen. Diogo und Mario erzählen von ihrem frechen Hund Sputnik, ein junger und tauber Dalmatiner, der aktuell in einer künstlerischen Phase ist, da er Stifte findet und sich und andere damit regelmäßig bemalt. Außerdem spielt er am liebsten mit Plastikflaschen.
Die Kamele klingeln wie weinende Kinder und begleiten uns beim Einschlafen. Die Nacht ist so warm hier, dass man keine Decke braucht.
Zwischenstation in der Zivilisation
Heute steht nicht viel an. Wir fahren etwa 3,5h in die Stadt Dalanzadgad inmitten der Wüste. Vor allem aber gibt es hier eine Dusche im öffentlichen Badehaus, worauf wir uns alle freuen. Jeder fühlt sich klebrig von der Hitze und eine dünne Schicht Gobi-Staub überzieht unsere Haut. Ganz frisch duften wir sicher auch nicht mehr.
Wir kommen zu unserem Hostel, das tatsächlich Jurten zum Schlafen im umzäunten Hof hat – mitten in einer Stadt im sogenannten Jurtendistrikt. Wir richten uns ein, essen Mittag (erstaunlicherweise vegetarisch) und packen dann Handtuch und Waschsachen und fahren ins Badehaus. Herrlich, das kühle Wasser auf der Haut! Wie wunderbar wohl vermeintlich selbstverständliche Dinge tun können wenn man sie länger entbehrt. Dalanzadgag ist vor allem ein Zwischenstopp bevor man zu den größten Attraktionen der Gobi aufbricht: Die großen Sanddünen und die „Flammenden Klippen“ von Bayanzag. Dann kaufen wir neues Wasser im Supermarkt und kühle Getränke, deren kalte Flaschen vor allem im Nacken und auf der Stirn gut tun.
Ein Besuch im Krankenhaus
Als wir wieder zurück sind, relaxen wir etwas in unseren Jurten. Alex klagt schon seit dem Morgen über Kopfschmerzen und erst jetzt bemerke ich wie heiß er ist. Wir messen Fieber – 39°C. Offensichtlich ein Hitzschlag, denn er schwitzt nicht, seine Haut fühlt sich absolut trocken an. Ich lege ihm einen nassen Lappen auf die Stirn, ein kühles Getränk in den Nacken und bedecke ihn mit einem nassen Handtuch um ihn zu kühlen, führe ihm kalte Getränke zu. Zwischendurch schaffe ich es ihn auf 38,2°C runterzukühlen. Bei einem Hitzschlag versagt die Hitzeregulierung des eigenen Körpers und dadurch steigt die Körpertemperatur gefährlich an. Ich tue mein Bestes um ihn zu kühlen und wir warten auf die Rückkehr von Ulzi, der mit dem Bus zur Werkstatt und zur Tankstelle gefahren ist. Um 20 Uhr gibt es Abendessen, dann kommt Ulzi zurück.
Wir fahren mit Mogi und Ulzi zum örtlichen Krankenhaus. Gut, dass wir in einer größeren Stadt mit Krankenhaus sind. Wir gehen in das alte Gebäude hinein, sie messen Alex Temperatur (39,2°C) und Blutdruck, dann legt er sich in eines der Betten der Notaufnahme und wir warten auf die Ärztin. Die kommt recht schnell und untersucht ihn. Sie spricht auch ein paar Worte Englisch, fragt ihn wo er Schmerzen hat. Dann redet sie viel Mongolisch mit Mogi.
Ich mache mir große Sorgen, Alex ist selten krank – überhaupt ist es sein erster Besuch in einem Krankenhaus überhaupt, das ausgerechnet im Hinterland der Mongolei. Dann schreibt uns die Ärztin Medikamente auf, die wir in der Apotheke besorgen sollen. Mogi übersetzt mir, dass Alex eine Halsinfektion hat und einen Hitzschlag, vermutlich kam beides zusammen. Geschwächt durch den Infekt hat sein Körper die Hitze nicht mehr verkraftet. Wir lassen Alex da und fahren zur Apotheke. Die zweite die wir aufsuchen hat noch geöffnet. Hier bekommen wir Kochsalzlösung und ein gesamtes Infusionsset und weitere Medikamente. Die Apothekerin spricht wieder eine Menge Mongolisch, ich verstehe nichts. Mogi schreibt die Dosierung für das Antibiotikum auf. Ich sage als wir Ibuprofen und Paracetamol bekommen, dass wir das nicht brauchen, denn wir haben welches dabei. Und warum überhaupt beides, das behalte ich aber für mich.
Egal, zurück zum Krankenhaus, Platzregen folgt auf einen Sturm, schnell ins Gebäue. Sie richten die Infusion ein und legen den Zugang. Zwei Flaschen, insgesamt 1l, wir warten zwei Stunden. Ich sitze neben Alex, der kraftlos im Bett liegt und halte Händchen. In der ganzen Aufregung habe ich nicht mal ein Buch dabei, aber immerhin meinen Mp3-Player. Nach der ersten Flasche sieht Alex schon wieder deutlich besser aus, er fängt wieder an zu schwitzen und er spricht wieder mehr. Am Ende der zwei Stunden ist seine Körpertemperatur normal. Ich bin erleichtert. Für die Behandlung zahle ich 40.000 MNT, für die Medizin 46.000 MNT, insgesamt also etwa 40€ für alles.
Ulzi hat die ganze Zeit draußen im Van gewartet, gegen Mitternacht sind wir zurück. Die anderen schlafen schon.
Die eisgefüllte Geier-Schlucht
Wir stehen früh auf, denn heute liegt ein langer Weg vor uns. Alex geht es heute besser, ist aber noch geschwächt. In etwa einer Stunde sind wir im Tal von Yolyn Am, das eine Schlucht beinhaltet in der sich das Eis vom Winter bis in den Hochsommer halten kann. Eigentlich wurde Yolyn Am zum Schutz der Vögel der Region errichtet – vor allem viele Geier sind hier beheimatet – ist aber nun eher bekannt für seine Felsen und engen Schluchten.
Vom Eingang von Yolyn Am sind es 10km bis zur Schlucht auf schlechter Straße. Aber Ulzi kann es mit allem aufnehmen. Einmal steigen wir aus während der den Van einen steilen, etwas matschigen Hügel hinauf manövriert. Am Parkplatz angelangt steigen wir aus und laufen etwa 2km in die Schlucht hinein, dem Yol Bach folgend. Hier wurden auch ein Haufen Chinesen ausgeschüttet, die mit Sonnenschirmen und unpassendem Schuhwerk den Bach zu queren versuchen und sich dabei denkbar blöd anstellen, was schon wieder fast witzig ist.
Dramatische Felsabbrüche türmen sich über uns auf, während die Schlucht enger wird. Diverse Male muss der Bach überquert werden und an einer Stelle ist ein bisschen Klettern nötig. Hier finden sich jetzt im August tatsächlich noch Eisreste. Im Winter ist das Eis bis zu 10m hoch und reicht bis zu 10km weit. Über uns kreisen die Geier, um uns herum hüpfen Pikas – kleine murmeltierähnliche Tierchen, die quieken und hoppeln wie Meerschweinchen. Eigentlich gehören sie zur Familie der Hasen. Man kann sie beobachten wie sie Gras in ihre Löcher zerren um daraus Heu für den Winter zu machen, den sie nicht verschlafen. Überall grünt und blüht es, mannigfaltige Blüten sprießen am Bachrand – eine wahre Oase in der Wüste. Außerdem ist hier angenehm kühl und schattig, wir tragen sogar Pullover! Eine echte Wohltat und ein guter Start für Alex nach dem gestrigen Tag. Insgesamt ist die Schlucht 8km lang, wir laufen nur 2km davon bis zu den Eisresten. Auch ein paar Ovoos (Steinhaufen) gibt es hier, bewohnt von den allgegenwärtigen Pikas.
Die Flammenden Klippen von Bayanzag
Wir gehen zurück, raus aus der Quelle des Lebens um zur lebensfeindlichen Wüste bei den Klippen von Bayanzag zu fahren. Auf der Fahrt sehen wir Kraniche und eine Radkappe davonfliegen. Wir kommen in Bayanzag an, bei den „Flammenden Klippen“, wo viele der weltweite Dinosaurierknochen und -eier gefunden wurden. Vor allem aber ist die rote Sandlandschaft wunderschön. Vor blauem Himmel erheben sich rote Sandklippen, die inmitten der leeren Wüstenlandschaft stehen. Mitten auf den Klippen ist mein Kamera-Akku leer und ich laufe schnell zurück um ihn zu ersetzen. Mogi und Ulzi wollen eigentlich schon weiter, weil wir noch eine lange Fahrt vor uns haben. Ich bedeute ihnen, dass die anderen noch auf der Klippe sind und ich nur den Akku tausche. Ich laufe wieder schnell zurück auf die Klippen, was erst hinterher seinen Tribut fordert. Heute mildert zwar der Wind die Hitze, aber nach wie vor brennt die Sonne vom Himmel. Ultramarathon in der Wüste? Niemals! Verrückt muss man sein! Ich bin von dem kurzen Stück ganz schön fertig und muss erstmal im Schatten ruhen bevor ich die Gegend weiter erkunde. Ich finde Alex und die anderen, wir schauen uns noch ein wenig die Sandfelsen an, dann gehen wir zurück.
Mogi schlägt uns nun vor, dass wir heute hier nächtigen sollten und dafür den zweiten geplanten Tag am Wasserfall streichen, da wir heute sonst in Zeitnot geraten. Es sind noch 200km auf schlechter Straße zu den Sanddünnen Khongoryn Els, was vier Stunden Fahrt bedeutet, eventuell sogar mehr wenn wir den richtigen Weg nicht finden. Bis dahin wird schon dunkel sein, es ist bereits 16 Uhr, was das Unternehmen unmöglich machen würde. Wir entscheiden zusammen, dass das eine gute Idee sei – so haben wir auch genug Zeit zum Erkunden der Sanddünen. Ich hätte mich aber zuvor auch nicht so hetzen müssen. Ich schlage vor, die Zeit zu nutzen indem wir die Klippen noch von unten ansehen, alle stimmen zu. Ulzi hält Ausschau nach dem Weg nach unten, dann geht’s los. Bald schon bleibt der Van stecken, die Front des Wagens setzt in einer Kuhle in der „Straße“ auf. Wir steigen aus, glauben nicht, dass er da rüberkommt, zumal der Weiterweg nicht eben besser aussieht. Aber Ulzi kann alles und manövriert den Bus auch hier hinüber. Ich habe das Gefühl es würde an seiner Ehre als Fahrer zehren, wenn er irgendwo nicht durch käme. Später erfahren wir, dass Ulzi einer der ältesten Fahrer im Tourismus ist und eigentlich nicht mehr arbeitet, nur gelegentliche Fahrten übernimmt. Er hat also viel Erfahrung und schafft denkbar unmögliche Strecken ohne Allradantrieb.
Dann stehen wir vor den Klippen und erkunden sie noch aus dieser Perspektive. Eidechsen huschen um uns herum, ein Ziegenschädel liegt im Sand. Es ist heiß und meine Aktion von vorhin hinterlässt Spuren, ich bin erschöpft und mir ist extrem warm. Wir fahren noch etwa 5km bis zu unserem Camp für die Nacht. Hier gibt es das erste Mal in der Mongolei Mücken – ausgerechnet in der Wüste. Nicht weit von uns ein kleiner „Wald“ aus windgebeugten Gobi-Bäumen und ein ausgetrocknetes Flussbett. Vermutlich fühlen sich hier die Mücken wohl. Am Horizont sehen wir die roten Klippen von Bayanzag, im Westen geht die Sonne unter. Wir ruhen uns aus, essen zu Abend und machen uns bei kühleren Temperaturen nochmal auf die Gegend zu erkunden. Wir stöbern durch die Gobi-Bäume, die ihrerseits ebenfalls auf einem kleinen Sandabbruch stehen, werden dabei von Mücken geärgert. Ich bekomme Sand ins Auge, irgendwas ist ja immer. Ich ziehe mich in die Jurte zurück, versuche vergeblich den Sand aus dem Augen zu spülen, zwecklos. Während drei von uns noch draußen stehen und quatschen, liegt der Rest wie erschlagen in der Jurte. Ich höre den Jungs draußen zu während ich warte, dass der Sand mein Auge verlässt. Dann gehen wir schlafen.
Die großen Sanddünen und Regen in der Wüste
Heute haben wir die Fahrt zu den Sanddünen Khongoryn Els vor uns. Es ist kalt und regnerisch, es fühlt sich nicht mehr an als sei man in der Wüste sondern viel mehr in Schottland oder Island. Wir machen eine Mittagspause mitten im Nirgendwo in der Mogi uns Nudeln und Gemüse mit Rindfleisch kocht. Wir erkunden währenddessen die Gegend, ich baue einen Ovoo aus den umliegenden Steinen. Als wir weiter fahren, fängt es stark an zu regnen und begleitet uns noch bis zum Ziel an den Sanddünen.
Wir warten eine Weile im Bus darauf, dass der Regen nachlässt, aber vergebens. Er trommelt ungerührt weiter an die Fensterscheiben. Dann treten wir die Flucht nach vorn an – in die Jurte. Wir sitzen etwas frustriert von dem Wetter in der Jurte und trinken erstmal einen Wodka. Von den Sanddünen ist nichts zu sehen. Wir gehen mit der Situation um indem wir darüber lachen – Starkregen ausrechnet mitten in der Wüste! Aber nach 1,5h hört der Regen auf und wir können endlich die Sanddünen sehen. Die Kamele werden für uns geholt und vorbereitet um uns zu den Dünen zu bringen. Die nassen Kamele erheben sich schwankend in die Höhe, erst auf den Hinterbeinen, dann vorne – wir schwanken mit. Wir reiten jeweils zu dritt – das erste Kamel wird geführt, das zweite und dritte hält jeweils der Vordermann am Strick, der mit der Kamelnase verbunden ist. Das sieht nicht eben angenehm für das Kamel aus, es ist sogar Blut an der Nase zu sehen. Uns tun die Kamele leid.
Die Landschaft vor den Dünen ist erstaunlich grün, es gibt kleine Bäume und ein Fluss schlängelt sich durch die Umgebung. Als wir an den Dünen ankommen, kommt die Sonne heraus und zaubert eine dramatische Atmosphäre mit den dunklen Wolken im Hintergrund. Wir steigen von den Kamelen, riechen jetzt selbst wie eins und haben vor allem alle einen nassen Hintern. Wir queren den Fluss über eine große Brücke, die für deutlich mehr als momentane Wassermassen ausgelegt ist, und dann gehen wir über sumpfige Landschaft bis zu den Dünen. Wir erstürmen den ersten Sandhügel, hinterlassen unsere Fußspuren im feuchten Sand. Es ist ein Glück, dass es geregnet hat, denn so sind die Dünen leicht zu besteigen. Der Sand ist hart und rutscht nicht unter uns, auch die Hitze verschont uns, die normalerweise weiteres Besteigen von anderen Hügeln verhindern würde. So verbringen wir viel Zeit auf den Dünen, laufen von einem Sandgipfel zum anderen, steigen über jede Route, jeden „Grat“ auf der uns gefällt. Die Dünenlandschaft ist sehr beeindruckend, das Lichtspiel aus Licht und Schatten auf dem Sand ist atemberaubend. Hinter den Dünen erheben sich große raue Berge, davor die grüne gar nicht wüstenartige Landschaft – ein Anblick der Kontraste.
Schließlich machen wir uns an den Abstieg – ich funktioniere eine Plastiktüte zu einem Schlitten um und sause die Hügel hinab. Dabei wird einem der inzwischen trockene Hintern ganz schön heiß :) Faszinierend wie aus diesem verregneten Tag noch ein Höhepunkt der Reise wurde. Damit hat keiner von uns mehr gerechnet. Ich kann mich gar nicht satt fotografieren. Die Sonne geht hinter den Dünen unter, der Himmel leuchtet rötlich.
Wir gehen einen anderen Weg hinab und stehen bald vor dem Fluss. Mein Plan war diesen einfach barfuß zu durchqueren, aber keiner will mitmachen. Also müssen wir den ganzen Weg bis zur Brücke zurück gehen, dem Flussverlauf folgend. Ich schimpfe ein bisschen vor mich nicht, da ich das für unnötig halte. Es wird mittlerweile dunkel und es besteht keine Hoffnung mehr vor völliger Dunkelheit zurück bei den Jurten zu sein, es ist bereits halb zehn. An der Brücke schließlich vernehmen wir dann Rufe – Mogi und Ulzi suchen bereits nach uns. Gut, dass sie da sind, denn ob wir den Rückweg zur Jurte im Dunkeln gefunden hätten, ist fraglich. So erwies sich die Entscheidung den Fluss nicht zu queren als die bessere. Der Bus steht nicht weit entfernt und wir fahren zum Camp zurück, wo es das schon vorbereitete Abendessen gibt. Noch eine Tasse Tee, dann gehen wir ins Bett.
On the Road to Arvaikheer
Wir stehen früh auf, denn es liegt eine lange Fahrt gen Norden vor uns. Von irgendwoher taucht eine kleine Katze auf, was mich sehr überrascht und auch erfreut. Ich komme kaum dazu zu frühstücken vor lauter Freude über die Katze, dann über das Licht das golden über die Ebene und die Dünen streicht. Heute ist es immer noch sehr frisch, es heizt sich aber im Laufe des Tages auf. Trotzdem gut zu ertragen mit viel Wind. Wir fahren hinaus aus der Gobi, dabei noch einige schöne Felsformationen passierend. Die Weite und Leere der Landschaft breitet sich schier unendlich vor uns aus, nur hin und wieder taucht eine einsame Jurte oder eine Ziegen-/Schafsherde am Horizont auf. Wir sehen Gazellen über die Steppe galoppieren, Adler über uns hinweg fliegen, Ziesel aufmerksam die Gegend betrachtend – aufrecht stehend.
Wir machen eine Mittagspause in der es von Mogi vorbereitete Sushi-artige Reisrollen in Seetang gewickelt mit Kartoffelbrei, Gurken und Salat gibt. Die Seetang-Rollen überlasse ich lieber Alex. Es geht weiter, es wird immer grüner um uns herum. Eine weitere Reifenpanne folgt, diesmal der linke Hinterreifen. Im Nu hat Ulzi die Reifen gewechselt und wir können weiterfahren. Wir erreichen das kleine Dorf Guchin Us, lassen es hinter uns, grüner und grüner wird es jenseits der Straße, Schäfchenwolken über uns. Dann endlich – eine Teerstraße, nach 8 Stunden auf holprigen Wegen. Nach etwa 40 Minuten erreichen wir die Stadt Arvaikheer, die nicht gerade das versprüht was man Charme nennt. Nur ein Zwischenstopp auf der langen Reise nach Norden. Wir gehen auf den Markt und in einen Supermarkt um unsere Bestände aufzufüllen. Dann geht’s zur zweiten Dusche unserer Tour – wie immer herrlich wohltuend. Sauber und wohlriechend erreichen wir nach etwas Suchen unser Jurtencamp für die Nacht. Es ist schon spät geworden, das Reisen hier braucht eben so seine Zeit. Nur noch Essen, dann Schlafen.