Longyearbyen ist die größte Stadt auf Spitzbergen. Von Hundeschlittenfahrten über Gletscherblicke und Mitternachtssonne bietet die Stadt einen gelungenen Einstieg in die Arktis.
Longyearbyen liegt zwischen Hügeln eingebettet. Auf einer Seite erstreckt sich der Fjord, auf der anderen Seite Berge, von denen sich Gletscherzungen ins Tal bewegen. Außenrum ist es erstaunlich grün für diesen Vorposten der Arktis. Mitten durch die Stadt fließt ein brauner Gletscherfluss an dem gelegentlich Rentiere grasen. Über unsere Köpfe fliegen Raubmöwen hinweg und zwischen den Häusern befinden sich üppige Wollgraswiesen. Longyearbyen ist eine typische Stadt am Polarkreis – zweckmäßige und etwas marode wirkende Gebäude stehen auf grauem Permafrostboden.
Es ist später Nachmittag als wir Spitzbergen erreichen. Schon aus dem Flugzeug können wir die weißen Gipfel und Berge sehen. Gegen 22 Uhr machen wir uns auf die Suche nach was zu essen. Die Sonne steht trotz vorgerückter Stunde noch immer hoch am Himmel.
Viel gibt es in Longyearbyen nicht: Ein paar Restaurants und Cafés, ein Supermarkt, eine Kirche und ein Kiosk in dem wir uns einen Burger genehmigen. Spitzbergen ist teuer und Fastfood die kostengünstigste Variante. Unser Hotel befindet sich am Rande der Stadt und die Zimmer erinnern mich an Nepal, da es nicht viel mehr als zwei Betten gibt. Der wesentliche Unterschied ist, dass es deutlich mehr kostet und uns noch um Mitternacht die Sonne durchs Fenster ins Gesicht scheint.
Vor unserer Expeditionsreise durch die arktischen Gewässer rund um Spitzbergen haben wir nun einen vollen Tag Zeit Longyearbyen zu erkunden. Zuerst gehen wir hinunter zum Meer und beobachten Vögel bevor wir dem Svalbard Museum einen Besuch abstatten. Es zeigt die Geschichte Spitzbergens, angefangen von seiner Entdeckung über Trapper und Walfänger bis in die heutige Zeit zu den Mienen und schließlich dem Tourismus. Auch die Tiere der Arktis werden vorgestellt.
Die Stadt ist klein, weshalb man immer wieder den gleichen Leuten begegnet. Im örtlichen Supermarkt finden sich ein riesiger ausgestopfter Eisbär und ein Waffenschrank am Eingang mit der Bitte seine Waffen nicht in den Supermarkt zu bringen. Es ist ein ganz normales Bild, das sich hier bietet: Die Einheimischen spazieren mit ihren geschulterten Gewehren durch die Stadt. Auch in der Stadt kommt es immer mal wieder vor, dass Eisbären vorbeischauen. Sollte man jedoch außerhalb der Stadt unterwegs sein wollen, ist das Tragen einer Waffe Pflicht, denn dies ist das Land der Eisbären. Dabei geht es nicht darum Eisbären zu erschießen, sondern sie viel mehr zu verschrecken falls es brenzlig werden sollte. Ausflüge auf eigene Faust auf die verlockenden umliegenden Berge sind also keine gute Idee.
Auf dem Rückweg zum Hotel werden wir von zwei nistenden Raubmöwen attackiert. „Platsch“ macht es während die eigentlich uns geltende Möwenscheiße auf die Straße klatscht. Bei diesem Spaziergang begegnen wir auch den ersten Spitzbergen Rentieren. Im Gegensatz zu ihren Verwandten auf dem Festland handelt es sich hierbei um eine kleinere Art, die auf das karge Leben auf diesem arktischen Vorposten angepasst ist.
Huskyschlittenfahrt im Sommer
Die eigentliche Hauptsaison von Spitzbergen ist im Winter, der Hunde- und Motorschlittentouren in die Umgebung zulässt. Wir machen das nun im Sommer.
Die gut gelaunte Hundeführerin Astrid holt uns ab und wir fahren außerhalb der Stadt an Graslandschaften mit Rentieren und zwei mit Süßwasser gefüllten Lagunen vorbei. Sogar im Meer gibt’s eine Süßwasserschicht von all dem in ihn ragenden Gletscherwasser.
Fast 100 Hunde freuen sich auf uns und bellen uns willkommen. Stürmisch wedeln sie mit den Schwänzen und springen uns an. Sie wollen gekuschelt werden. Ich dachte immer, dass Schlittenhunde Arbeitshunde seien und nicht viel fürs Kuscheln übrig hätten. Diese hier sind anders.
Die Hunde wurden bereits ausgewählt, damit keiner überlastet wird. Zur Zeit hat es 14-15 °C, aber die Tiere haben einen normalen Wohlfühl-Temperaturbereich von -15 Grad. Das heißt im Sommer gibt es nur kleine Runden mit vielen Pausen zum Abkühlen.
Wir dürfen ein paar der Hunde selbst holen und ins Geschirr nehmen nachdem uns Astrid die Schritte erklärt. Das ist gar nicht mal so einfach, da die Hunde extrem kraftvoll sind. Sie werden auf einen Anhänger verladen und wir fahren hinter den Flughafen ans Meer, wo der kleine Wagen steht, der heute als Schlittenersatz dient. Ich sitze vorn um bremsen zu können während Astrid die 14 Hunde einspannt und sie nicht gleich mit dem ganzen Wagen abhauen können. Es gibt zwei Leithunde und jeder Hund hat seinen festen Platz. Sie sind keine reinrassigen Huskies, viel mehr werden schnelle Hunde mit schnellen Hunden gekreuzt.
Wir fahren am Meer entlang und Seevögel kreisen über uns. Wir können weit in den von Gletschern gesäumten Fjord hinaus sehen bis zu der Stelle wo Pyramiden liegen muss, die einzige andere erwähnenswerte Siedlung auf Spitzbergen.
Immer wieder machen wir Pause und es gibt Wasser für die hechelnden und schäumenden Hunde, die kaum dass das Wasser leer ist wieder Bewegungsdrang haben. Ein bisschen Kuscheln ist aber auch sehr willkommen. Die Hunde sind dafür geboren und man merkt es. Man muss sie richtig zügeln, damit sie sich nicht selbst überlasten.
Wieder zurück auf dem Huskygelände gibt es bereits etwas zu fressen, was unsere verspäteten Hunde kaum erwarten können. Innerhalb von wenigen Minuten fressen sie ihr Töpfchen aus. Wir schauen uns auch noch den dreimonatigen plüschigen Nachwuchs an.
Am Abend gönnen wir uns ein Essen in unserem Hotelrestaurant, das neben einem vegetarischen Gericht vor allem Fleisch anbietet: Von Robben- bis Walsteak ist alles dabei.
Spaziergang zum Gletscher
Der nächste Tag ist der Tag der Abreise Richtung Arktis. Bevor wir das Schiff betreten machen wir uns jedoch noch auf einen Spaziergang auf. Wir folgen dem Fluss Richtung Gletscher und finden zwei grasende Rentiere. Wir gelangen auf eine kleine Anhöhe am Rande der Stadt und genießen die Aussicht auf Longyearbyen, den Fjord, Berge und Gletscher.
Zurück gehen wir am Berghang entlang. Dabei sehen wir Minenreste, die von der Vergangenheit Longyearbyens als Bergwerksstadt zeugen. Seit dem 20. Jahrhundert wurde hier Kohle gefördert und Longyearbyen ist nach seinem Gründer und Minenbesitzer Munroe Longyear benannt. Die einzige noch produzierende Mine in Longyearbyen ist Miene Nr. 7. Hinzu kommen einige Kohlefelder 44km südöstlich von Longyearbyen.
Anschließend besuchen wir die nördlichste Kirche der Welt in Longyearbyen – die hölzerne Svalbard Kirke.
Obwohl Spitzbergen zu Norwegen gehört, verfügt es über eine gewisse Unabhängigkeit vom Festland. Einkäufe sind zollfrei und somit etwas günstiger als auf dem Festland und die Einwohner haben Freiheiten gegenüber dem restlichen Norwegen. Dafür genießen sie keine Rentenabsicherung und Schwangere werden vor Geburt aufs Festland geflogen, da Longyearbyen nur über ein rudimentäres Krankenhaus verfügt.
Eine weitere interessante Tatsache ist der Svalbard Global Seed Vault nahe des Flughafens, ein Saatgutspeicher für Nutzpflanzen wie Reis, Kartoffeln und Früchte für einen eventuellen Katastrophenfall.
Nach dieser kurzen Erkundung geht es für uns auf große Fahrt Richtung Norden und zu den Eisbären.