Auf dem Weg zwischen Lincoln und Helena meistern wir lange wasserlose Strecken, trotzen starkem Wind und horizontalem Regen und finden schließlich Entspannung und großartiges Essen in der einladenden Stadt Helena. Vom Überwinden umgestürzter Bäume und harschen Wetters bis zu Gratwanderungen und Begegnungen mit anderen Wanderern – jeder Tag auf dem CDT ist ein Abenteuer voller Widerstandskraft und Entdeckungen, geprägt von Momenten der Freude und Frustration.
CDT Tag 18 — Applaus
22 km / 1.025 hm / 5,5 h
Heute legen wir 23 km zurück, nachdem Gloria und Jim uns mit ihrem Truck mitgenommen haben. Der Tag beginnt mit einem steilen Aufstieg von Rogers Pass, der uns mit beeindruckenden Ausblicken belohnt. Tageswanderer applaudieren, als sie erfahren, dass wir nach Mexiko wandern, und teilen großzügig Snacks mit uns. Es erinnert mich an den Applaus für Thru-Hiker am PCT in Kennedy Meadows South.
Der Trail führt über sanfte Grate mit leichter Strecke und guter Markierung – eine willkommene Abwechslung. Vor uns erstrecken sich sanfte, trockene Hügel, durchsetzt mit bunten Blumen. Meine Laune ist bestens, und trotz eines kurzen Adrenalinschubs, als ein gut getarntes Raufußhuhn überraschend vor mir auffliegt, genieße ich den Tag.
Am Abend baue ich das Zelt auf, während Ryan Wasser holt. Zwei Rehe nähern sich neugierig, und wir teilen einen ruhigen Moment.
CDT Tag 19 — Ein langer Weg ohne Wasser
30 km / 1.180 hm / 7 h
Heute stehen lange wasserlose Strecken an: erst 16 km, dann 32 km ohne verlässliche Quellen. Jeder Schluck Wasser wird zur Kostbarkeit – zum Glück ist es angenehm kühl. Unterwegs treffen wir Humbled, Engine und ihren fröhlichen Golden Retriever Tucker. Die Bob Marshall Wilderness wollten sie in den aktuellen Bedingungen meiden und gehen daher ein Stück NOBO. Tucker hüpft begeistert von einer Person zur nächsten, immer auf der Suche nach Streicheleinheiten.
Ein Highlight des Tages ist ein Aussichtsturm auf einem Hügel. Zwar ist der Turm selbst verschlossen, doch die Panoramablicke vom Fuße des Hügels aus sind atemberaubend. In der Ferne erkennen wir Helena, eine kleine Erinnerung an die Zivilisation.
Beim Abendessen ziehen plötzlich dunkle Wolken auf, Donner grollt in der Ferne, und es beginnt zu regnen. Schnell packen wir alles zusammen und bauen unser Zelt zwischen den Bäumen auf, bevor der Sturm richtig losbricht. Kaum ist der letzte Hering gesetzt, prasselt der Regen in Strömen herab. Doch in unserem kleinen Unterschlupf fühlen wir uns sicher und genießen die Symphonie des Regens.
CDT Tag 20 — Wind
42 km / 1.510 hm / 10,5 h
Es regnet bis in den Morgen hinein, aber unser geschützter Zeltplatz hält uns trocken. Unser Tag startet mühsam: Wir müssen über umgestürzte Bäume klettern, was Zeit und Kraft kostet. Dabei reißt Ryans ohnehin schon lädierte Regenhose endgültig. Bald verlassen wir den Wald, und der Trail wird ausgesetzt. Kalter Wind und horizontaler Regen treffen uns mit voller Wucht, während wir über Grate wandern. Die Aussicht bleibt verborgen in dichtem Grau, und der eisige Wind beschert mir vor Kälte schmerzende Hände. Trotz des nachlassenden Regens bleibt der Sturm stark, und ich kämpfe gegen die Angst, erneut in eine Extremsituation wie im Glacier National Park zu geraten. Kurz reißt der Wind die Wolken auseinander, Sonnenstrahlen blitzen hervor – ein kostbarer Moment, den ich mental abspeichere, bevor es weitergeht.
Endlich erreichen wir wieder den Schutz des Waldes. Meine Hände tauen auf, und gegen Mittag klart das Wetter auf. Die Sonne bricht durch, ein kleiner Hoffnungsschimmer. Wir treffen Everlong, einen NOBO-Wanderer, der im selben Jahr wie wir den PCT gelaufen ist. Nach ein paar Rutschpartien durch Kuhmist erreichen wir die nächste Wasserquelle, wo wir eine Pause einlegen und unsere Ausrüstung in der Sonne trocknen.
Am Nachmittag entscheiden wir uns für einen alternativen Roadwalk, um den ausgesetzten Grat zu umgehen. Im Nachhinein wäre der Grat wohl machbar gewesen, da die Sonne nun scheint, aber der Morgen hat uns gereicht. Auf der Straße begegnen wir Kühen, Wohnwagen und sehen sanfte grüne Hügel. Einige Kühe wirken wenig begeistert von unserer Anwesenheit, doch wir passieren sie behutsam.
Der Abend bringt die goldene Stunde, die ihr Licht über Hügel und Wiesen ergießt. Nach einem kurzen weiteren Nieselregen können wir einen Regenbogen bewundern, während Gras und Wildblumen ihre Köpfe zur Musik des Windes bewegen. Schließlich erreichen wir unser Camp. Es ist windig, aber ich schlage das Zelt perfekt auf, und wir finden guten Schutz zwischen den Bäumen.
CDT Tag 21 — Ankunft in Helena
13 km / 600 hm / 3 h
Heute stehen nur 13 km bis zur Straße nach Helena an, und wir starten den Tag mit einem angenehmen Spaziergang durch Felder, in denen der Wind sanft Gras und Wildblumen wiegt. Die Szenerie hebt trotz der morgendlichen Kälte die Stimmung. Der letzte Anstieg ist weder steil noch monoton, und oben begrüßt uns erneut der kalte Wind, der uns an die ständige Präsenz der Elemente auf dem CDT erinnert.
Der Abstieg führt uns auf einen Schotterweg und schließlich entlang des Highways, wo wir die Stille des Trails schmerzlich vermissen. Am MacDonald Pass warten wir nur 15 Minuten, bevor Timothy in einem alten Subaru anhält. Er hat eine beeindruckend tiefe Stimme und wir genießen die Fahrt nach Helena, wo wir uns zuerst einen Burger gönnen. Während draußen der Regen einsetzt, sind wir dankbar für unser Timing.
Da unser Motel-Check-in erst um 15 Uhr möglich ist, legen wir die Rucksäcke dort ab und erkunden erst mal Helena. Im Base Camp Gear Shop ist Ray unser Held: Er tut sein Bestes, um die Löcher in den Fersen meiner Schuhe zu reparieren und bringt auch unsere Trekkingstöcke wieder in Ordnung – der beste Ausrüstungsladen, den wir je auf einem Trail besucht haben. Anschließend schlendern wir durch die charmante Stadt mit ihren historischen Gebäuden, besuchen einen altmodischen Süßwarenladen und ein Vogelinformationszentrum, wo wir erfahren, dass eine von Ryan auf dem Trail gefundene Feder von einem Fischadler stammt.
Wir betreten den Union Butcher Shop, wo ein begeisterter Metzger uns von der Qualität des lokalen Fleisches erzählt. Ein Blick auf das Brot einer lokalen Bäckerei überzeugt mich, und es entpuppt sich als das beste Brot, das ich in den USA gegessen habe – fast so gut wie das aus Etna am PCT. Die Metzgerei bietet auch fantastische Sandwiches, und wir reservieren spontan ein Steak-Dinner im angeschlossenen Restaurant. Mit Vorfreude auf einen genussvollen Abend schließen wir den Tag voller neuer Eindrücke ab.